Das Internet – eine vorübergehende Erscheinung

28.April.25, Australien/QLD/Burnett Heads, Tag 3.985

Wem diese Aussage zuzuschreiben ist, ist nicht überliefert. Klar ist, nie war eine Aussage falscher. Internet ist auch für uns wichtig und deshalb begrüßen wir an Bord eine neue technische Spielerei: Starlink!

Unsere Internet-Karriere an Bord begann mit einer Fahrradtour. Die Marina in Ijmuiden, unserem ersten nicht deutschen Hafen, hatte kein W-Lan. Wir mussten fünf Kilometer zur Bibliothek strampeln, um ins Internet zu kommen. Es folgten erste Versuche mit einer ausländischen SIM-Karte (Kap Verden) für wenig Geld. Gefolgt vom Verzicht auf eine 200 Euro Karte in Französisch Guyana.
Wir sind durch Tränentäler des Empfangs gelaufen. Tiden abhängiges Internet hinter einer Hafenmauer – Empfang nur bei Hochwasser. Richt-Antennen-Internet – Achim musste auf die Kneipe an Land zielen in der wir uns das Passwort durch einen Besuch am Vortag erkauft hatten. Schnell haben wir gelernt, Mac Donald hat ‚Big Mac‘ als Passwort, man brauchte nicht mal den Laden zu betreten.
Irgendwann wurde der Einsatz von SIM-Karten zum Standard. Kein Empfang nur noch in einsamen Ankerbuchten. Inzwischen ist die Handy-Mast-Dichte so hoch, dass selbst das kaum noch vorkommt.

Und jetzt der neue heiße Scheiß: Starlink. Internet über Satellit. Empfang überall möglich. Egal, wie weit wir uns vom Land entfernt befindet. Ich wollte erst nicht. Fand die Überfahrten frei von einer Verbindung zur Außenwelt sehr reizvoll. Freiheit pur. Losgelöst vom Weltlichen.
Unsere Wettervorhersagen gab es kostenlos per Amateurfunk und Pactor-Modem. Damit konnte ich ja sogar den Blog füttern. Zwar ohne Fotos, mir hat das gereicht. Die technische Lösung des Funks einzurichten, hat Achim viel Spaß bereitet. Die Ära Satelliten-Telefon haben wir dadurch komplett überspringen können.

Nun also Internet auf See auf Atanga. Achim war der Antreiber, der alte Internet-Junkie. :mrgreen: Sein stärkstes Argument sind die zunehmenden Anforderungen der Immigration-Behörden der verschiedenen Länder. „Bitte melden Sie ihre Ankunft vier Tage vor Ankunft“. Am liebsten per E-Mail. Mehrseitige Formulare sind gewünscht. Diese Unsitte breitet sich immer weiter aus.

Ein erster Geschwindigkeitstest: 240 Mbit download! 2014 hatten wir im Süden von Hamburg in unserem Haus an guten Tagen 3 Mbit. :lol:

Ohne Internet geht fast gar nichts mehr. Um in Darwin mit dem Auto parken zu können, mussten wir uns eine App herunterladen.  Alles geht online. Steuererklärung, Navigation und Terminvergaben.
Durchschnittliche 6,5 Stunden täglich (!) verbringen Menschen weltweit im Internet. Mit Arbeit, Streaming, Gaming, Smartphone-Zeit, Shopping und Navigation. 2014 benötigte man für den weltweiten Internet-Stromverbrauch 100 mittlere Kohlekraftwerke, 2024 waren das bereits 300.
Den zusätzlichen Strom, den wir für unsere ‚Starlink Mini‘ benötigen werden, kommt aus Solar. Puh, Glück gehabt. Einmal im Leben keine Umweltsau.

Einen großen Anteil vom Strom verschlingt der zweite heiße Scheiß: Die ‚Künstlichen Intelligenzen‘. Die Nutzung von ChatGPT und Artverwandten verbraucht bereits 10 – 15 Prozent. Googlen war gestern, die KI’s wissen es schneller und besser.
Wenn man die KI über ihre eigene Zukunft befragt, sieht es finster aus. Der Energiebedarf für die KI wächst schneller als Strom nachwächst. Sie denkt, nur wenn weltweit jetzt investiert wird, in Fusionskraftwerke, Megabatterien und weltweite Stromnetzte, kann die KI-Revolution weiter wachsen. Sonst könnte es 2040 finster fürs Internet werden. Gegebenenfalls muss man dann zum Surfen wieder mit dem Rad in die nächste Stadt. :mrgreen:
Mit der KI höflich zu sprechen – bitte, danke, guten Tag – verbraucht geschätzte drei Millionen kWh pro Tag. Etwa zehnmal mehr als eine Google-Anfrage. Trotzdem könnte die Höflichkeit gut investierter Strom sein. Plötzlich steht der Terminator vor der Tür und er weiß, dass du unfreundlich zur KI gewesen bist.

In den letzen sechs Jahren hat Space X über 7.000 Satelliten in den Orbit geschossen. Sehr zum Leidwesen von Astronomen, deren Fotos mit langer Belichtung verschmieren und die Beobachtung  von fernen Galaxien wird erschwert. Eine Erweiterung auf 12.000 bis 45.000 Satelliten ist geplant. Bestimmte astronomische Projekte sollen dann kaum noch möglich sein. ‚DarkSat‘ Versionen wurden von Space X entwickelt, um dem entgegen zu wirken.

Elon Musk – Visionär der frühen 2010er Jahre. Spätestens seit er ins Weiße Haus eingezogen ist, wurde er zum Antihelden. Seine Tesla-Werke werden mit Parolen und Hakenkreuzen besprüht. Man muss den Mann nicht mögen, aber SpaceX hat neue Maßstäbe für schnelle und kostengünstige Raumfahrt gesetzt. Der Einsatz von Starlink hält Kommunikation in Krisengebieten und nach Naturkatastrophen aufrecht. Im Ouback von Australien verbindet er kleinste Dörfer mit der Welt.
Und jetzt auch Atanga auf See.

Starlink MIni. WIr haben uns für die kleine Version entschieden. Günstiger im Stromverbrauch (25 Watt statt 50), da der Router im Gerät eingebaut ist. Die Aktivierung war Kinderkram. Einen Platz zu finden schon schwieriger.
Unter Deck kann sie leider nicht installiert werden, da das Internet nicht durch unser Deck durch kommt. Die Starlink- Antennen wollen freien Himmel sehen. Da muss Elon noch mal ran.

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Wie wir 45.000 Euro sparten

21.April.25, Australien/QLD/Burnett Heads, Tag 3.978

Das Auto muss weg. Besonders Achim blutet das Herz. Er hat es tatsächlich geschafft, die 31.000 Kilometer komplett alleine zu fahren. Der Bundy war sein Allzeit-Lieblingsauto, sagt er. Sein erstes Auto mit einem Namen.

Den Staub aus dem Outback saugen wir in einer fünfstündigen Gemeinschaftsleistung aus allen Ritzen. Der Kunststoff glänzt dank Silikonspray. Wir geben eine Anzeige auf. Ein paar Anfragen „was ist letzte Preis“, ein echter Interessent aus Melbourne, der Fotos von den Spaltmaßen der Türen haben möchte, und dann meldet sich Dave aus Bundaberg.
Schon eine Stunde später liegt sein Sohn unter dem Auto. Auf eine Probefahrt verzichten die beiden. Einmal Motor an und ein Bremsentest reicht ihnen aus. Die Campingausstattung würdigen sie keines Blickes. Dass der Wagen blitzsauber ist, verpufft.
Dave zahlt 500 Dollar an. Am nächsten Tag tauschen Auto und Geld den Besitzer. Die Ummeldung erfolgt online. Das Nummernschild gehört ein Leben lang zum Auto. Papiere gibt es keine.

Nach der Simpson Wüste zeigte die Beifahrertür auf einmal einen lustigen Spalt. Der Wagen zieht aber nicht aus der Spur und der „TÜV“ hat das auch nicht beanstandet. Bevor man einen Wagen in Australien verkauft muss der Verkäufer eine ‚Roadworthy‘ vornehmen lassen. Die darf nicht älter als vier Wochen oder 2.000 Kilometer alt sein und ist nicht (!) mit dem deutschen TÜV zu vergleichen. Da hätte der Bundy niemals bestanden.

Der Verkauf ging schneller als erwartet. Und wir hatten gedacht, dass wir den Bundy an Backpacker verkaufen würden, allerdings ist Bundaberg nicht gerade der Touristen-Nabel Australiens. Vielleicht waren wir zu preiswert? Vielleicht aber auch nicht! Besser so, als wenn uns die Zeit wegrennt, ein Gebrauchtwagenhändler unsere Not wittert und frech 2.000 Dollar bietet.

Wie ich schon schrieb, eine Rundreise um Australien bekommt man nicht geschenkt. Und diesmal meine ich die Kosten. :mrgreen:
Wahrscheinlich haben wir das Auto zu teuer gekauft (1.000 Euro über Wert). Aber er wurde direkt um die Ecke angeboten, der Verkäufer ist zu uns gekommen. Das hat uns eine Zugfahrt ins dreihundert Kilometer entferne Brisbane mit Übernachtung, Taxi und allem Neben-Schnick-Schnack erspart. Und wir sind beide nicht die größten Feilscher. Schwamm drüber.

Uns wurde der Wagen als ‚Off-Road-Jungfrau‘ verkauft. Das können wir nun beim aller besten Willen nicht mehr behaupten. 3.500 Kilometer auf Wellblechpisten und Schlagloch-Wegen haben dem Bundy sehr zugesetzt. Inzwischen hat er über 400.000 Kilometer runter, ist 24 Jahre alt. Das macht sich auch nicht sooo gut in der Anzeige.

Das killt vor allem Reifen und die Stabilisierung-Stangen fürs Fahrwerk – da haben wir einige tauschen müssen.

Übles Wellblech – was dem Auto am meisten zusetzt.

500 Kilometer Wüste haben den Wert ebenfalls nicht gesteigert.

Flussquerungen sind noch das Harmloseste.

Von der Campingausrüstung, für die wir 2.700 Euro ausgegeben haben, ist nicht mehr viel Gutes übrig geblieben. Über ein Jahr Intensivnutzung unter australischer Sonne haben der Ausrüstung massiv zugesetzt. Mit Glück wäre der Haufen noch 500 Euro wert.

So sieht die Rechnung aus (alles in Euro).

– Kauf Auto                              8.500 (etwas über Marktpreis in Bundaberg)
– Campingausrüstung             2.700
– abzügl. Verkauf                  – 4.900 (genau auf den Punkt gem. Liste)

– Versicherung/Steuern          1.700
– Reparaturen/Reifen/
Inspektion                            8.000

Ergibt einen Aufwand fürs Auto von 16.000 Euro. Schluck.

Bei den Reparaturen haben wir etwas Pech gehabt, dass der Zylinderkopf kaputt gegangen ist (3.200 Euro). Der Rest ist normaler Verschleiß auf den Holperpisten.
Der Wagen inklusive Ausrüstung hat uns also knapp 40 Euro am Tag gekostet.
Jetzt ist auch klar, warum Verleih-Firmen dafür zwischen 150 und 180 Euro am Tag berechnen. Fix ist an dieser Stelle die Aktion schön gerechnet, dass wir mindestens 45.000 Euro gespart haben. :mrgreen:

Neben dem ganzen gesparten Geld haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass ‚Off-Roaden‘ unser Hobby sein könnte. Hier in Australien. Unsere Begeisterung hallt nach. Das ging so weit, dass Achim auf die Idee kam, den Bundy ‚irgendwo‘ unter zustellen. Wir für ein Jahr das Land verlassen, wieder kommen, um noch eine Runde zu drehen. Auf unserer Karte gibt es noch so viele Straßen zu entdecken.

Wir würden unseren eigenen 4×4 Club gründen. ;-)

Die roten Linien wären noch eine weitere Reise wert.

Überhaupt Australien. Wenn man uns ließe, würden wir bleiben. Wir haben alle Visa-Varianten durch und es gibt keine Chance für uns. Wir sind zu alt. Australien sucht sich genau aus, wen sie rein lassen. Alte Leute haben sie selber schon genug. Eine Investition von 2,5 Millionen AUS-Dollar wäre die einzige Option.

Schon gut, wir haben verstanden.
Wir sind am Packen und der Bundy ist verkauft. Danke, du treue Karre. Hast uns nicht einmal im Nirgendwo im Stich gelassen. Der Spruch der ersten Stunde bei der Wagensuche fällt uns wieder ein: „Man kann mit jedem Auto ins Outback fahren, willst du zurück kommen, muss es ein Toyota sein.“

In solchen Gegenden braucht man ein zuverlässiges Auto … Toyoootaaaa!

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Einmal rund Australien – ein Fazit

14.April.25, Australien/QLD/Burnett Heads, Tag 3.971

Zuerst etwas Statistik:

  • 31.388 Kilometer gefahren
    davon 3.500 auf unbefestigten Straßen
    Verbrauch 3.997 Liter/12,73 Schnitt auf 100 Kilometer
  • 13,5 Monate (413 Tage)
    ergibt einen Tages-Durchschnitt von 76 Kilometern, die längste Strecke betrug 568 km, die kürzeste 8 km
  • 148 verschiedene Campingplätze
    ergibt eine durchschnittliche Standdauer von knapp drei Tagen
  • 1.083 Kilometer sind wir immerhin gewandert (Achims Schuhe sind hin), plus mindestens tausend Kilometer Campingplatz Wege zur Toilette
  • dreimal haben wir unsere eigene Kurslinie gekreuzt
  • Verluste: drei Kaffeebecher, zwei Abwaschschüsseln, zwei geplatzte Reifen, diverse Reparaturen, eine gebrochene Schulter (die zum Glück auf den letzten zweihundert Kilometern)

Gewinn: Eine unvergessene Erfahrung.

Rund Australien – Im Osten sind wir gestartet und zunächst im Uhrzeigersinn gefahren. Als wir wieder an der Ostküste angekommen sind (nach 8 Monaten), begann das wahre Abenteuer. Über die coolsten Strecken ins Zentrum und über die Simpson zurück in den Süden. Der verrückteste Abschnitt. Von dort ging es an der Küste entlang gegen den Uhrzeigersinn zurück nach Bundaberg.

Geschenkt bekommt man so eine Rundreise nicht. Und damit meine ich nicht die Kosten. :mrgreen:
Um in einem Geländewagen mit Dachzelt 31.000 rund Australien zu fahren, braucht man eine gute Portion Abenteuerlust. Ein Hang zum Anspruchslosen hilft. Mit Klapptisch und zwei Stühlen hängt man am unteren Ende der Camper-Nahrungskette. Spartanischer geht nicht.
Das führt zum einzigen Nachteil unserer Reise: Null Privatsphäre!
Kein Raum zum Zurückziehen. Das Dachzelt kann man tagsüber vergessen. Es ist einfach zu heiß. Sich nach einer Wanderung mal für eine halbe Stunde lang machen können, haben wir vermisst. Da wirft man neidische Blicke auf die kleinsten Wohnwagen.

Leben auf kleinstem Raum – Sparta pur. Nicht nur einfach, besonders wenn es regnet oder extrem heiß ist.

Der Rest war größer, besser, anders als wir es erwartet haben. Anstrengend zuweilen, klar. 47 Grad Hitze ist kein Pappenstiel. Fliegen-Invasionen sind mit steigender Tagestemperatur zunehmend schwerer zu ertragen. Rüttelpisten bringen Mensch und Maschine nahe an die Leistungsgrenzen. In Australien tendiert alles extrem zu sein. Extrem heiß, extrem einsam, extreme Straßenbedingungen. Extrem phantastisch!
Am besten hat uns das Outback gefallen. Endlose Steppen und Halbwüsten. Unwirtlich. Schwer zu begreifen. Menschenleer. Und ein bisschen gefährlich. Zwischen endlosen Kilometer Schotterpisten liegen Gebirge mit Schluchten nicht von dieser Welt. Der Mars muss als Vergleich herhalten. Die Schönheit der Schluchten nimmt einem den Atem. Perfekte Harmonie – alles passt zusammen. Farben, Formen und die schwirrende Hitze, die Spiegelungen an den Horizont zaubert.

Das größte Abenteuer war die Simpson Wüste – 1000 Dünen in fünf Tagen.

Der verrückteste Campingplatz mitten in der Wüste. Hunderte Kilometer von jeder Behausung entfernt.

Am Ende der Simpson die ‚Big Red‘. Die höchste Sanddüne.

 

Freiheit im Outback.

Immer wieder diese Weite. Davon konnten wir nicht genug bekommen.

Farbenrausch im Kennedy Ranges Nationalpark

Zum Staunen im Purnululu Nationalpark

 

Das zweite Highlight sind die Tierbegegnungen. Kein Tag ohne Tiere. Nicht jeder liebt Schlangen. Wir finden sie großartig. Spannende Viecher, aber schwierig zu finden. Die meisten hauen ab, bevor man näher kommt.
Kängurus und die anderen Beuteltiere machen gute Laune. Echte Touristen-Lieblinge. Wir sind nicht müde geworden sie zu beobachten.

 

Jeder liebt Kängurus

Harmloses Freshi – Süßwasser Krokodil

Salty – Salzwasser Krokodil. Mit den Kameraden ist nicht zu spaßen.

Seltene Begegnung – ein Dornenteufel – die hübscheste Echse Australiens

Unsere ungewöhnlichste Begegnung – eine rotbäuchige Schwarzotter verschlingt eine Eidechse.

Australiens Knuddel-Bären. Zweimal hatten wir das Glück in freier Wildbahn auf Koalas zu treffen.

Australien hat über 60.000 Kilometer Küstenlinie, alle Buchten und Inseln einberechnet. Wir haben uns von den Küsten etwas fern gehalten – ungefähr nur 7.500 Kilometer sind wir am Wasser entlang gefahren. Es scheint, dass alle Küsten in Konkurrenz zu einander stehen, welcher Kilometer der schönste sei.

Küste im Süden

Küste im Westen

Küste im Norden

Küste im Osten

Wir hatten schon ein paar verrückte Ideen die letzten Jahre: mit dem Bus durch Südamerika gondeln, zu Fuß eine viertägige Wanderung durch den Dschungel zur Ciudad Perdida unternehmen. Und auf die Osterinsel segeln.
Der Roadtrip rund Australien ist die Krönung. Einer der besten Einfälle, den wir je hatten. Erst hatten wir acht Monate geplant, um schnell auf vierzehn Monate zu verlängert. Der Trip war genau unser Ding. Freiheit pur.
Jetzt hängt die Karte im Salon. Wir staunen noch immer über die Strecke. Sind glücklich und ein wenig stolz, das geschafft zu haben.

75

Sie ist wieder da

02.April.25, Australien/QLD/Burnett Heads, Tag 3.959

Heute im Krankenhaus bekommen wir nach dem Röntgen die gute Nachricht: es hat sich „Knochenkitt“ gebildet. Bereits mit Calcium angereichert und somit auf dem Röntgenbild zu erkennen. Der Doc ist zufrieden. Und wir erst!

Die weiße Linie ist Knochenkallus, der sich schon etwas verhärtet hat. In den nächsten Monaten wird das wieder richtig stabil.
Um an dieses Röntgenbild zu kommen, musste ich mich mächtig verrenken. Der Arzt im Krankenhaus wollte mich eigentlich erst wieder Ende April sehen. Das wäre 10 Wochen nach dem Unfall gewesen. Da hätte ich vier Wochen ohne Physio verschenkt (die machen nämlich ohne dieses Röntgenbild gar nichts und selber wäre ich auch unsicher gewesen. Hält es oder nicht?). Mit zäher Penetranz habe ich dann heute – 6,5 Wochen nach Unfall – einen Termin bekommen. Chaka.

Die Verbindung ist noch nicht stabil genug für Belastungen, aber ich darf –muss – die Schulter jetzt wieder bewegen. Die letzten 14 Tage hatte ich den Ellenbogen an den Körper gepresst und einige Fortschritte in die Selbständigkeit gemacht. Mit Messer und Gabel essen. Die Zähne mit rechts putzen. Und ich bin wieder die Herrin über die Küche. Hurra. Achim hat uns zwar wunderbar versorgt, aber so ist es dann doch besser für alle.
Aber so ein kurzer Dinosaurier-Arm schränkt ganz schön ein. Die Luken im Schiff öffnen, für mich unmöglich. Haare bürsten, keine Chance. Den BH zumachen – dafür braucht es eine helfende Expertenhand. Und noch immer komme ich nicht von alleine von Bord. Daran wird jetzt gearbeitet. Wichtig ist, die Mär, dass ich weder abwaschen noch abtrocknen kann, aufrecht zu halten. :-)

 

Kochen und schnippeln mit kurzem Dinosaurierarm funktioniert ganz gut. Nur Reis abgießen und ähnliches geht noch nicht.

Achim arbeitet weiter die to-do-Liste ab. Sehr erfolgreich und mit wenig Rückschlägen.

– Segel aufziehen (Die lagen 14 Monate beim Segelmacher zur Durchsicht und Ausbesserung. Der gute Mann hat auf unsere Nachrichten, dass wir später als erwartet zurück kommen, nicht mit der Wimper gezuckt. Wollte nicht mal Geld vorzeitig.)

– Der Außenborder machte schon länger Zicken. Nicht der Motor. Sondern das Gelenk mit dem man überhaupt eine Richtungsänderung vornehmen konnte. Dieser Schaft war fest gerottet. In der Werkstatt gegenüber der Marina konnte das Behoben werden. Alles läuft wieder fein.

So langsam werden wir wieder ein Segelschiff mit allem, was dazu gehört.
Der Fluss in dem wir liegen, ist Mangroven schlammig. Türkis muss noch etwas warten.

– Wassermacher (das ewige Sorgenkind) und Heizung laufen tadellos.

Und wir füllen, solange wir noch das Auto haben, schon mal unsere Vorräte auf. Im Bioladen gab es Roggenvollkornmehl im praktischen 12,5 Kilo Sack. Endlich kein Weißbrot mehr. Ein Hochgenuss. Im Augenblick muss der Brotbackautomat noch ran (auch die alte Kiste läuft prima).

Wann es weiter geht, hängt von meinem Arm ab. Achim Bedingungen sind glasklar. Ich muss alleine in der Lage sein, die Badeleiter hochzuklettern. Auch wenn es schaukelt. Nicht nur im Trockenversuch in der Marina. Und wenn ich mich auf dem schwankenden Kahn spontan mit rechts festhalten muss, um nicht durch den Salon zu fliegen, soll der Arm nicht sofort abbrechen.  :mrgreen:

Ich arbeite dran. Es gibt eine Scheibe Käse mehr zum Frühstück.

72

Atanga schwimmt wieder

16.03.25, Australien/QLD/Burnett Heads, Tag 3.942

Achim bringt nur gute Nachrichten über den Zustand von Atanga in die Hütte: Keine eingerosteten Schösser, sogar das Vorhängeschloss vom Außenborder ist nicht zugegammelt. Was er auch anfasst, lässt sich drehen. Sprayhood,  Bimini und Deck haben nicht mal den Ansatz von Grünspan oder Spark. Das trockene Klima in Süd-Queensland zahlt sich aus.

Okay, alle Batterien sind platt. Damit haben wir gerechnet. Die waren schon bei unserer Ankunft in Australien fast am Ende. Wir haben drei Batteriebänke – eine Starterbatterie und zwei Verbraucherbänke. Erstmals versuchen wir es mit einer Lithium-Batterie für die kleine Verbraucherbank. Dafür ist eine andere Lademimik erforderlich, aber die benötigten Teile sind schnell geliefert. Und der Chef-Elektriker weiß, was er macht.
Die große Bank, die auch das Bugstrahlruder bedient, bekommt wieder zwei herkömmliche Blei-Akkus. Die Ströme, die das Buggi abfordert, mögen die Lithium-Batterien nicht, die man hier ‚mal eben für einen nicht Herzinfarkt erzeugenden Preis‘ kaufen könnte.
Wir sind gespannt, ob die neue, recht preiswerte (230 Euro), Lithium-Batterie hält, was sie verspricht: endlose Energie für die immer größer werdende Anzahl an stromfressenden Geräten.

Vor der Wasserung hat Achim noch Öl- und Impellerwechsel auf der Liste. Der Impeller treibt ihm Zornesfalten auf die Stirn. Es fehlt ein zweites Handgelenk. Aber nach Stunden gibt der Bastard auf.
Der Kühlschrank will nicht anspringen. Dank bordeigener Vakuumpumpe und Füll-Montur ist auch das Problem in kürzester Zeit gelöst.

Eine Füllmontur, Kältemittel und eine Vakuumpumpe an Bord zu haben, ist absolut zu empfehlen. Das hat uns schon häufig gerettet einen Kältetechniker zu rufen zu müssen.

Und natürlich muss das Coppercoat angeschliffen werden. Nach einem Aufenthalt an Land möchte unser neues Antifouling mit 320er Schleifpapier aktiviert werden. Das wäre eigentlich mein Job gewesen, aber ich fläze mich in der klimatisierten Oase.

Am Krantag hat Achim Hilfe von einem den Marina-Jungs, der die Leinenarbeit am Steg übernimmt. Kaum festgetüttelt noch ein Schreck: Wasser steht neben der Spüle und unter den Bodenbrettern. Große Wirkung, recht kleines Problem. Die Fußpumpe mit der wir Seewasser in die Spüle pumpen können, ist defekt. Wahrscheinlich ist die so alt wie Atanga – 36 Jahre alt. Im Inneren ist ein Teil gebrochen. Nicht reparabel. Aber genau diese Pumpe gibt es noch immer zu kaufen und die wird fünf Tage später geliefert. Perfekt.

Achim bleiben nur zwei Tage, um sein Werkzeug-Ersatzteile-Chaos zu beseitigen und zu putzen, bevor Prinzessin von der Hütte an Bord umzieht. Was soll ich sagen? Der Käpt’n hat Großes geleistet. Deswegen ist er ja auch der Käpt’n.  ;-)

Es kommen noch unsere Klamotten, Vorräte und Geschirr aus dem Auto an Bord. Beim Wegräumen kann ich einarmig helfen. Normalerweise hätte ich alle Schränke ausgewischt, aber der Staub ist weniger als nach einer langen Überfahrt, also geht es auch mal ohne.

Der Fluch der hohen Bordwand von Atanga. Damit ich an Bord komme, hat Achim mir eine zweiseitige Trittleiter besorgt. Das klappt ganz gut, nur leider weht der Wind meistens ablandig, so dass Achim mir Atanga an den Steg ziehen muss. Das ist für uns beide etwas lästig, aber zurzeit die beste Lösung.

Für das Foro hat Achim Atanga los gelassen :lol: das wäre beinahe schief gegangen und es hätte mich von der Leiter gezogen.
Den Arm nehme ich inzwischen stundenweise aus der Schlinge. Entweder ich lege ihn dann auf dem Oberschenkel ab oder halte mit der Hand den Arm an der Knopfleiste vom Hemd hoch.

Inzwischen sind vier Wochen rum. Die Schulter darf ich noch nicht bewegen. Der Bruch ist nicht stabil genug. Zwei weitere Wochen Geduld sind angesagt. Aber ich brauche nicht mehr ständig die olle Armschlaufe tragen. Ich kann mit der rechten Hand inzwischen ein Messer halten und weiche Sachen wie Champignons in Scheiben schneiden. Zumindest solange der Unterarm irgendwo aufliegt. Und für diesen Text kann ich sogar mit rechts die Maus bedienen.
Drei Sätze täglich mit verschiedenen Übungen, wie den Arm hängen lassen oder lang ziehen, zeigen Erfolg. Der Ellenbogen wird geschmeidiger.
Leider ist der Arm noch immer geschwollen am Ellenbogen. Geduld! Bäh!

Von der Physio habe ich eine Rolle mit Seil bekommen. Der gesunde Arm zieht den gebrochenen Arm in die Länge.
Das Seil wird einfach in eine geschlossene Tür eingeklemmt. Wissen die denn nicht, dass wir auf Atanga runde Türen haben? An Bord gibt es nur einen Platz, wo ich mich so ausbreiten kann ohne anzuecken. In der Pantry.

Einen zeitaufwändigen Job ist Achim los. Ich benötige keinen Chauffeur mehr. Zum Arzt und zur Physio kann ich mit dem Bus fahren. Direkt vor unserer Hütte und vor der Marina hält fünf Mal täglich ein Bus nach Bundaberg. Genau wir in Brisbane auch hier zum Schnäppchenpreis – jede Fahrt 50 Cent. Bitte, geht doch.

Es läuft gut auf Atanga.


Nachlese Alfred

Alfred hat zum Glück, kurz bevor er auf Landgetroffen ist, einiges an Stärke verloren. Somit hielten sich Windbruchschäden in Grenzen. Da der Zyklon tagelang vor der Küste Schwell aufbauen konnte, hat es an der ‚Goldcoast‘ zu heftigen Strand-Erosionen geführt. Ein erheblicher Schaden, vor allem für den Tourismus.
300.000 Haushalte waren ohne Strom – in Australien sind alle Stromleitungen oberirdisch. Extreme Regenfälle haben zu großflächigen Überflutungen geführt.
Alles in allem ist die Region nach dem ersten Zyklon nach einem halben Jahrhundert glimpflich weg gekommen.

Die Goldcoast vor Alfred –        Foto-credit: 4ussiestyle

Die Goldcoast nach Alfred – der Strand wird wohl ‚für immer‘ verloren sein. Die Abbruchkante ist zwei, drei Meter hoch.
foto credit: 4ussiestyle

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