Verstimmung im Paradies

Fr., 21.Jun.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1846, 17.889 sm von HH

„Sie haben ihn gegessen“, Gerald spricht es als erster aus. Gerald ist unser französischer Nachbar der ersten Stunde auf Hao. Er hat noch immer das Gaumen-Problem und spricht nur ein paar Brocken Englisch, ist aber ansonsten sehr nett und hat vor allem viel Kontakt zu den Einheimischen. Gerald macht eine Essbewegung, um seine Annahme zu unterstreichen.

Die Rede ist von Halbohr. Den Namen haben wir dem kleinen Mischlings-Hund gegeben, der den ganzen Tag auf der Mole umher ströpert. Ein richtiges Zuhause scheint Halbohr nicht zu haben, da er auch nachts bei den Booten bleibt. Abwechselnd schläft er bei Gerald oder bei uns vor der Tür. Diese Treue ist durch ein paar Knochen- oder Reisreste schnell erkauft.

R.I.P Halbohr

Halbohr fehlt die Hälfte eines seiner übergroßen Fledermausohren. Ein sauberer Schnitt durch ein Messer oder eine Machete. Wir vermuten eine Teil-Amputation nach einem Unfall.
Die Einheimischen mögen ihn nicht. Er heißt bei ihnen Crétin – Idiot. Und die Kinder werfen schon mal einen Knüppel nach ihm, wenn sie zum Angeln auf die Mole kommen. Sie bringen ihre eigenen Hunde mit und wollen ihn nicht dabei haben.
Wir mögen Halbohr. Ein unaufdringlicher Kerl, der sich über jede freundliche Geste freut. Er ist noch sehr jung und hat gerade angefangen ‚Stöckchen holen‘ zu lernen. Und nun ist Halbohr verschwunden. Von einem Tag auf den anderen. Spurlos.

Hundefleisch-Verzehr ist durchaus (noch) verbreitet: In vielen asiatischen Ländern, Mexiko, in zwei Kantonen in der Schweiz und eben auch in Polynesien. Auf Hawaii gab es die Zucht des ‚Hawaiian Poi Dog‘ ausschließlich zum Verzehr.
Mitte des 19. Jahrhunderts galt in Deutschland Hundefleisch als Delikatesse zu bestimmten Anlässen und Wilhelm Busch verarbeite das Schlachten eines Hundes literarisch. Im 20. Jahrhundert unterlag Hundefleisch der gesetzlichen Fleischbeschau und ein Verbot von Hund zur Fleischgewinnung erfolgte erst 1986.

Im Internet finden sich Rezepte für Hundegulasch und geräucherten Hund. Wobei Kenner eindrücklich darauf hinweisen, nur junge Tiere zu schlachten, da Hundefleisch im Alter zäh werden soll. In Deutschland gibt es die ‚Bürgerinitiative pro Hundefleisch‘, deren Argumente zum Verzehr von Hund ‚Schutz vor Vogelgrippe‘ und das Fehlen vor Gammelfleisch-Skandalen sind. :shock:
Solche Befürworter sind eher die Ausnahme, gesellschaftlich verbreitet sich weltweit ein Trend zum Hundefleisch-Tabu.
Allerdings müssen sich europäische Tierschützer, die den Verzehr von Hund in Asien anprangern, den Vorwurf des Snobismus und Rassismus gefallen lassen: wer seid ihr, dass ihr uns vorschreibt, was wir essen dürfen.

Unser Halbohr ist nun weg und wir sind traurig. Die einzig logische Erklärung für sein Verschwinden ist tatsächlich, dass er zum Braten wurde. Wir hoffen, dass er sein Ohr nicht als Geschmacksprobe hergeben musste.

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