three, two, one… ignition

Mi., 09.Mrz.16, Kourou/Franz. Guyana, Tag 648, 5.573 sm von HH

… der Start so einer Ariane 5 macht schon mächtig ‚boom‘ und ein gewaltiges Feuerwerk.

Aber warum muss das mitten in der Nacht sein?
Der Start für ‚unsere‘ Ariane VA229 ist für 2:20 Uhr angesetzt.
Eine blödere Zeit kann es wohl kaum geben. Seit wir vor zwei Tagen tatsächlich eine Einladung vom Space Center in das Jupiter-Control-Center als VIP’s erhalten haben, überlegen wir, wie wir dort hinkommen sollen.
Kourou, wir haben ein Problem. Wie kommen wir zum Space Center und zurück?
In Ermangelung an verfügbaren Bussen und Taxen (wir haben einen derartig gekennzeichneten Wagen noch nicht gesehen), bleibt uns nur, die halbe Stunde dort hin zu radeln.

Am Abend vor dem Start ist zufällig an der Marina das Touri-Center geöffnet.
Wir erzählen der Kleinen im Büro von unserem Plan. Sie macht ein bedenkliches Gesicht und wiegt sorgenvoll den Kopf.
Nein, es gefällt ihr gar nicht, dass wir mitten in der Nacht mit dem Rad unterwegs sein wollen.
Sie schlägt uns vor, dass sie uns zu um Mitternacht ein Taxi bestellt. Der Fahrer käme aus Surinam und kann Englisch.

Unserem Taxifahrer gewährt Achim genau 10 Minuten Verspätungs-Toleranz , dann ruft er ihn an. Er versichert, er sei weitere 10 Minuten später bei uns. Das hält er (fast) ein.
Auf das Gelände des Space Centers darf er nicht, die erste Kontrolle erfolgt noch auf der Zufahrt. Unsere Einladung auf dem Handy wird akzeptiert und wir werden auf einer Liste abgehakt.

Unser Taxifahrer macht dem schlechten Ruf seiner Zunft alle Ehre und zockt uns richtig ab. 35 EUR will der Lump von uns. Hallo! Für 10 Kilometer.
Auf eine Diskussion mit ihm verzichten wir, da wir uns mitten im Check Point, umzingelt von der Fremdenlegion, befinden und zahlen seinen überhöhten Preis. :evil:

Die Jupiter-Lounge fasst ungefähr 300 Leute und ist bis auf den letzten Platz ausgebucht. Wer hätte das gedacht?
Das Space-Center scheut keine Mühen.
Es gibt Kopfhörer für jeden Gast und zwei Simultan-Übersetzer, die uns die wichtigen Worte der Redner aufs Ohr geben.
Bis 20 Minuten vor dem Start dürfen wir umherlaufen und Fotos machen.

Im Mission-Control herrscht scheinbare Gelassenheit. Was die 50 Menschen dort vor ihren Monitoren zu tun haben, erschließt sich uns nicht. Es wird nicht in die Laptops getippt oder hektisch gerufen.
Kurz vorm Countdown werden noch eifrig what´s app geschrieben.
Ist das alles nur eine große Truman-Show?

Für die letzten 20 Minuten gibt’s eine Moderation, was am ‚launch-pad‘ aktuell passiert. Über mehrere Monitore und Leinwände können wir das Geschehen mit verfolgen.
Man spürt, dass unten im Glaskasten die Nervosität steigt. Na bitte, geht doch.

Eine Minute vor Zündung, werden an den Seiten des Saals große Türen geöffnet, damit wir den Start vom Balkon aus live beobachten können.
Unerwarteter Weise reicht eine Minute und alle stehen im Freien. Der Countdown wird über Lautsprecher übertragen.
Es ist Neumond und wir starren ins Schwarze.

Die Licht-Explosion, die erscheint, ist gigantisch. Der absolute Wahnsinn. Zu hören ist noch nichts, aber der Nachthimmel ist grell erleuchtet.
Als ob das noch nicht reichen würde, werden sieben Sekunden nach dem Start die ‚Booster‘, die ‚Verstärker-Antriebs-Raketen‘, gezündet.
Erst jetzt hebt Ariane ab. Aus dem grellem Lichtschein bildet sich ein Kometenschweif von mehreren Hundert Metern aus. Auf den Fotos ist das leider nicht zu erkennen. :-(

In einer Affen-Geschwindigkeit zieht die Rakete über uns weg.
Jetzt kommt auch das Brüllen der Triebwerke bei uns an. Es ist so intensiv, dass man Vibrationen zu spüren meint. Was für ein Feuerwerk!
Nach wenigen Sekunden ist der Spaß vorbei und die Rakete verschwindet in den Wolken.

Alle kehren in den Saal, auf ihre Plätze, zurück.
Die Moderatorin hält uns weiter informiert: Nach 2,5 Minuten werden die Booster abgeworfen und fallen ins Meer.
Dies geschieht bereits vor der brasilianischen Küste. Angeblich (!) wird der, hunderte Kilometer breite,  Korridor von der Navy evakuiert. Das mag für große Handelsschiffe gelten. Dass Segler gewarnt und aus der Gefahrenzone entfernt werden, das bezweifeln wir ernsthaft.
Da bleibt wohl ein Restrisiko von einem Raketen-Booster versenkt zu werden. :shock:

27 Minuten nach Start trennt sich die Rakete vom Eutelsat 65 West A Satelliten, der in 10 Tagen Lateinamerika mit Fernsehen, Internet und im Sommer die Welt mit den Olympischen Spielen erfreuen wird.
Ab diesem Zeitpunkt gilt die Mission als geglückt. Der Saal applaudiert und Mission Control feiert sich selber. Hände schütteln, Schulter klopfen, Freudentaumel. Fast wie bei Apollo 11.
Routine hat sich beim Abfeiern noch nicht eingeschlichen. ;-)

Es gibt noch ein paar Übertragungen seitens der Offiziellen dieser Mission und dann leert sich die Lounge.
Im Hof wartet noch eine Überraschung auf uns. Es sind Tische mit Finger-Food, eine Bier-Theke und Champagner-Bar aufgebaut. Alle dürfen nach Herzenslust zugreifen.

Wir müssen jetzt nur noch unser Problem des Heimwegs klären.
Die Hostessen, die wir fragen, machen wenig Mut. Einen Shuttle-Service nach Kourou gibt es leider nicht. Zwei Stunden zu Fuß ist uns um 4:00 Uhr morgens zu weit und unseren doofen Taxi-Fahrer wollen wir definitiv nicht noch einmal.

Also sprechen wir einfach ein paar Jungs an, die gerade das Gelände verlassen wollen. Gleich der erste Trupp ist ein Volltreffer. Die Jungs bauen Satelliten zusammen und der ihre wird im April in den Orbit geschossen.
Sie sprechen englisch, wohnen in Kourou im Hotel und sind unglaublich nett und willens uns mit Heim zu nehmen.
Mission completed.

4 Gedanken zu „three, two, one… ignition

  1. Sabine

    So lautete die Einladung… angemessene Kleidung, keine Shorts, keine Flip Flops.
    Ganz viele in Anzug und kleinem Schwarzen. Das ist echt ein Event!
    Das war schon echt ein klasse Erlebnis. :-)

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  2. Olaf Buder

    Ihr seid richtig goldig oder wie man heute sagt, cool drauf ! Langfahrtensegeln und Raketenstart, hätte ich so jetzt nicht zusammen gebracht. Einfach toll, dass ihr soviel Freude auf eurer Reise habt, trotz macher Dinge, die eben mal nicht so gehen. Wir verfolgen euern Blog seit Mai 2014. Danke für die sehr kurzweiligen Beiträge! Übrigens seht ihr immer gut aus, nicht nur im Raketenkontrollzentrum :-) . Grüße Kerstin & Olaf SY Raija

    Antworten
    1. Sabine

      Liebe Kerstin und Olaf,
      vielen Dank für Eure netten Worte. Goldig wollte ich schon immer mal sein… ;-)
      Wow, seit Mai 2014, da habt ihr ja tapfer durchgehalten. :mrgreen:
      Wir wünschen weiterhin viel Spaß beim Lesen und auf Eurer Raija.

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