Do., 28.Feb.19, Pazifik, Tag 1733, 16.083 sm von HH
Die Strecke nach Pitcairn hat nicht den besten Ruf. Winde in allen Stärken aus allen Richtungen sind keine Seltenheit. Wir befinden uns am südlichen Rand des Süd-Ost-Passats. Ein verlässlicher Wind aus Süd-Ost ist somit nicht garantiert. Das haben wir schon auf der Osterinsel gemerkt. Der Wind kam bestimmt 30% der Zeit aus Norden und Nordwesten.
Von der Osterinsel nach Pitcairn sind es Luftlinie 1.120 Seemeilen Richtung Westen. Davon müssen wir 120 Seemeilen nach Norden gut machen. Die ersten beiden Tage schenkten uns einen Süd-Ost-Wind. Perfekt für unsere Richtung. Aber die Vorhersage sieht Nordwind ab Donnerstag. Wir entscheiden uns somit bereits vor der dritten Nacht auf den anderen Bug zu wechseln und uns mit dem kräftigen Wind Richtung Nord-Nord-West blasen zu lassen, um etwas Strecke gut nach Norden zu machen. Wir verschenken dann zwar Wegstrecke nach Westen, kommt dann aber wirklich der Nordwind könnten wir damit prima nach Westen segeln. Soweit die Theorie. ![]()
Der neue Tag deutet an, dass die Entscheidung richtig war. Kontinuierlich dreht der Wind über Ost weiter auf Norden. Wir sind begeistert. Zumal die Bedingungen angenehm sind. Atanga liegt recht stabil und das Wetter spielt ebenfalls mit. Ab und an kommt ein dunkler Wolkenkragen vorbei ohne viel Wind und nur ein wenig Nieselregen.
Somit haben wir eine Prämiere an Bord. Wir gucken am Nachmittag einen Film. Bildungsfernsehen für das nächste Ziel: ‚Die Bounty‘. Das ist die Neuverfilmung von dem Bounty-Klassiker mit Marlon Brando. Der Film fällt bei uns durch. Langweilig wird die bekannt Story der Meuterer runter geleiert. Morgen gibt es dann das Original.
Tagesmeilen: 125, noch 818 Meilen to go.
Tag 1+2 ==> Pitcairn – Go West
Mo./Di., 25./26.Feb.19, Pazifik, Tag 1730/1, 15.744 sm von HH
Wir kommen erst am Nachmittag los. An Land, zum Ausklarieren, lassen wir uns von Tauchbooten bringen. Die Wellen im Hafen sind auch heute zu hoch für unser Dinghy. Noch ein wenig Obst und Gemüse gekauft, dann geht es los. Man merkt keinen Unterschied. Faktisch ist segeln wie ankern: Es liegt die gleiche Anzahl Antirutschmatten aus, alle Luken stehen offen, die Schiffsbewegungen bleiben gleich. Draußen sieht man wunderbar die Drei-Meter-Dünung anrollen. Der Horizont hat Buckel. Die See atmet. Jetzt wissen wir woher der Ausdruck stammt. Lange tiefe Lungenzüge macht der Pazifik.
Wir kommen quälend langsam voran. Bis zum Dunkelwerden sehen wir noch die Osterinsel. Weniger als zehn Knoten Wind lassen uns mit 2 Knoten Geschwindigkeit dahin schleichen. Die Genua ist ausgebaumt. Das Großsegel steht als Stütze dazu. Die Segel schlagen unangenehm in den Wellentälern. Der Vorteil des ruppigen Ankerplatz der Osterinsel: Eingewöhnen auf See entfällt. Ich kann bereits am ersten Abend kochen. Die Seebeine sind am Ankerplatz gewachsen. Toll. Genuss-Segeln ab der ersten Minute. ![]()
Tag 2 ist schon besser. Wir haben jetzt Windstärke 5, in Böen 6. Der Wind kommt etwas südlicher, so dass wir uns genau auf Kurs befinden. Die letzten acht Stunden hatten wir einen Schnitt von sechs Knoten. Dazu blauer Himmel. Besser geht es nicht. Obwohl die Wellen jetzt konfuser sind und sich auf die Dünung eine Windwelle legt, macht Atanga angenehme Bewegungen. Weich schaukeln wir mit Spitzengeschwindigkeiten auf Pitcairn zu.
Nach 48 Stunden haben wir 214 sm geschafft. Noch 906 Meilen to go.
Acht Wochen Osterinsel – ein Fazit
Mo., 25.Feb.19, Chile/Osterinsel/Hanga Roa, Tag 1730, 15.744 sm von HH
Dringende Empfehlung: Unbedingt machen!
Wir waren absolut begeistert. Trotz der heftigen Rollerei am Ankerplatz und unseres kleinen Dinghy-Überschlags. Hüstel, räusper, wir haben in den Wochen danach gelernt, wie man mit solchen Brechern umgehen kann. Der Rest war spitze und hat unsere Erwartungen übertroffen.
Die Osterinsel gilt als einer der isoliertesten Orte der Welt. Zur nächsten bewohnten Insel sind es zweitausend, zum Festland gar fast viertausend Kilometer. Aber isoliert ist die Insel schon längst nicht mehr. Täglich kommt ein Flieger aus Santiago oder Tahiti. Bringt frisches Obst aus Chile und Fleisch aus Argentinien mit. Versorgungsschiffe ankern vor der Insel, sie bringen Autos oder liefern Treibstoff an.
Die Osterinsel ist eindeutig touristisch. Ja, sogar Kreuzfahrtschiffe kommen hier vorbei.
Diese sind von uns nun endgültig zum Klassenfeind erklärt. ![]()
Als ob es hier kein Platz gebe, versuchen sie mitten zwischen uns Seglern zu ankern. Die rasselnde Kette reißt uns aus dem Tiefschlaf. Ankert er direkt neben uns? Ein Blick nach oben bestätigt alle Befürchtungen. Das AIS zeigt einen Abstand unter 150 Metern. Muss das sein? Die Generatoren vom Kreuzer zerreißen die Idylle.
Der weiß hoffentlich, dass er mitten in unserem Badezimmer parkt? Schluss mit hüllenloser Duscherei auf der Badeplattform. Oder man hat die einmalige Gelegenheit den zweihundert Zuschauern auf ihren Balkonen den nackten Arsch zu zeigen. Das hätte Symbolcharakter. ![]()

Gleich müssen wir die Fender raus holen
Hanga Roa ist also fest in Touristenhand. Aber trotzdem angenehm. Kleine Souvenir-Buden stehen neben urigen „Supermärkten“. Fisch und lokales Gemüse werden direkt von der Ladefläche des Pickup verkauft. Einige der einheimischen Frauen tragen Blumenkränze (okay, aus Plastik), die Damen im Telefonladen haben eine Blume hinter dem Ohr. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft wird großgeschrieben. Wir bekommen allerdings die Info: „Wenn du die Leute hier schon freundlich findest, dann warte ab bis du in Französisch Polynesien bis. Da sind die Leute freundlich.“
Es geht behäbig zu im Ort. Dazu gehören drei Stunden Mittagspause und eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h. Während des Tapati Festivals war etwas mehr Trubel, jetzt wirkt Hanga Roa wieder verschlafen.
Die meisten der Abendveranstaltungen vom Festival haben wir leider verpasst. Die Einfahrt im Hafen ist tagsüber schon tricky, in stockdunkler Nacht wird sie zum Kamikaze-Ritt. Hohe Wellen, die man abwarten muss, sind schwer auszumachen. Und dann gilt es absolut geradeaus zu steuern. Rechts und links lauern die Felsen. Wir haben es uns nur zweimal getraut. Die Veranstaltungen, die wir sehen konnten, haben uns begeistert. Am ersten Abend sind Kinder aufgetreten. Kinderveranstaltungen sind ja immer mit etwas Vorsicht zu genießen. Meistens finden diese nur die anwesenden Eltern toll. Aber auf der Osterinsel ist alles anders, die Kinder waren tatsächlich klasse.

Abendvorstellung mit Bodypainting
Die Insel behält einige ihrer Geheimnisse für sich. Noch immer kennen wir nicht den Grund, warum die Ureinwohner so plötzlich mit dem Bau der Moai aufgehört haben. Und das gefällt mir. Ein Blick in diese unergründlichen Gesichter mit diesem so herrlich verkniffenen Mund genügt.
Großartige Stein-Gesellen, großartige Leistung. Sinnlos und doch sinnvoll.
Jetzt geht leider unsere Zeit zu Ende. Morgen geht es weiter. Unser Ziel sind die nächsten Nachbarn der Rapanui: die 50 Einwohner von Pitcairn. Dort spielt eine andere Liga. Die Nachkommen der englischen Bounty-Meuterer und einigen Polynesiern gelten, nun, ich sag mal vorsichtig, als schwierig. Über zweihundert Jahre Inzucht sollen nicht nur gutes Blut hervorgebracht haben.
Es sind tausend Seemeilen bis dahin. Die Strecke hat den Ruf widerborstig zu sein. Wir werden sehen.
Für alle, die das ebenfalls erleben wollen Revierführer Osterinsel
***neueste Nachrichten***neueste Nachrichten***neueste Nachrichten
Ich habe gerade den obigen Bericht fertig geschrieben, da kommt ein Funkspruch von der Armada: wir sollen schon etwas früher zu ihnen kommen zum Ausklarieren. Also packen wir unsere Pässe ein, schwingen uns in Schlauchboot und steuern auf die Hafeneinfahrt zu. Es ist absolut windstill, nur leichter Nieselregen fällt.
Puh, da läuft aber eine hohe Dünung zwischen den Felsen rein. Achim dreht seine Runden vor der Zone, wo die Wellen anfangen sich zu brechen. Wir warten und beobachten. So haben wir es die letzten Wochen gelernt. Hier sind wir sicher. Die Wellen sind uns deutlich zu hoch. Wir zögern. Da können wir nicht rein. Achim dreht eine weitere Runde, vielleicht kommt ja noch eine ruhige Phase.
Nein, alle Wellen bleiben hoch. Wir entscheiden nicht in den Hafen zu fahren. Dann müssen wir eben Morgen ausklarieren.
Wir drehen um, fahren Richtung Schiff. Eine runde, fette Dünung läuft unter uns durch. Und da, vor uns, kommt noch eine. Achim gibt Gas. Ach du heiliger Bimbam, die baut sich aber auf. Viel zu früh! Hier brechen die Wellen noch nicht! Sie wird höher und höher. Sie bildet diese berühmte Röhre aus. Sie wird durscheinend und türkis. Direkt vor uns jetzt diese Wand. Zweimeter fünfzig hoch. Mindestens. Vielleicht drei Meter. Ich glaube nicht, dass wir es schaffen. Unser Dinghy arbeitet sich senkrecht den Wellenberg hoch. So wie die ‚Andrea Gail‘ mit Georg Clooney in ‚der perfekte Sturm‘. Achim hockt auf dem Dinghyboden. Ich mache mich klein, meine Brille hab ich in der Hand, für einen besseren Ort ist keine Zeit. Wir klettern und klettern. Dann schlagen wir hinter dem Monster hart aufs Wasser im Wellental. Wir haben überlebt! Achim ist käsig um die Nase. Der Schreck ist ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. ![]()
Mensch, an dieser Stelle hatten wir noch keine Welle brechen sehen. Gib mir ‚high five‘ – wir haben überlebt. Schwein gehabt. Jetzt wird es aber wirklich so langsam Zeit, dass wir hier weg kommen.
Unsere Flotte wächst
Do., 21.Feb.19, Chile/Osterinsel/Hanga Roa, Tag 1726, 15.744 sm von HH
In Ecuador hatten wir uns ja einen Einer-Kajak zugelegt.
Schnell ist klar: das macht Spaß, aber alleine paddeln ist langweilig. Theoretisch muss also ein zweites Kajak her. Hier gibt es überraschend viele von den Dingern, aber kaufen kann man keins. Wir fragen jeden, der ein gebrauchtes Teil vor der Tür liegen hat, ob er es nicht vielleicht verkaufen möchte. Ich paddel sogar hinter einem 2er-Kajak hinterher, um einen Tausch anzubieten. Alles vergeblich.
Jetzt kommt uns das Schicksal zur Hilfe. Seit wir neben Marta am Anker liegen, hat sie bereits den zweiten Riss in ihrem Großsegel. Der erste Riss konnte genäht werden, aber schon nach der nächsten Tour mit Gästen kommt sie mit einem neuen Riss zurück. Dieses Großsegel hat es hinter sich.
Wir haben noch ein altes Großsegel im Vorschiff liegen. Seit fast fünf Jahren versperrt es dort wertvollen Raum. Bevor wir los gefahren sind, hatten wir uns ein neues Segel gekauft und mochten das alte Segel nicht entsorgen. „Vielleicht brauchen wir es unterwegs noch mal…“ Schon längst sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass wir es wohl nicht als Ersatz benötigen werden.
Also fragen wir Marta, ob sie nicht ihr Kajak gegen unser Segel tauschen möchte. Ihr Geschäft soll weiter laufen und nach Tahiti will sie im April auch noch segeln. Ohne Großsegel ein bisschen doof. Nach Rücksprache mit Vater und Kumpel werden wir uns einig. Deal!
Somit sind wir nun stolze Besitzer von zwei Kajaks.
Montag, spätestens Dienstag wollen wir weiter. Nicht mehr viel Zeit, um ein schönes Plätzchen für das sperrige Teil zu finden. ![]()
Ankern im Südosten der Osterinsel
Do-So., 14.-17.Feb.19, Chile/Osterinsel/Vinapu, Tag 1719-23, 15.744 sm von HH
Der Grund, warum wir überhaupt umankern müssen, ist ein roter Teufel, der sich westlich von Pitcairn befindet und südwärts zieht. Ein kleiner, unsympathischer Ableger soll die Osterinsel streifen. Es wird von Böen mit 42 Knoten gewarnt. Nicht lustig. Dieser Wind wird aus Westen vorhergesagt und somit können wir unmöglich in Hanga Roa bleiben.
Es ist nicht weit auf die andere Seite von Rapanui. Grad mal 11 Meilen – keine zwei Stunden Fahrt.
Einen guten Ankerplatz zu finden, ist schon schwieriger. Drei Segelboote sind bereits vor uns da. Wir versuchen es deren Nähe. Der Anker fällt. Da Achim Grausen vor dem kalten Wasser hat, springe ich zum Nachschauen. Ein schlechter Platz. Nur Korallenblöcke und Felsplatten. Hier können wir nicht bleiben. Wir gehen Anker auf. Ein Stück weiter versuchen wir es erneut. Der Platz ist nicht viel besser. Erneut gehen wir Anker auf. Beim dritten Platz springe ich erst, bevor wir den Anker fallen lassen. Wieder nur Korallen. Ich klettere zurück an Bord und wir fahren einen Kilometer weiter auf die andere Seite der ‚Bucht‘. Schon beim ersten Blick durch die Tauchermaske sehe ich nur Sand. Hier sind wir richtig. Ich schnorchel vor Atanga her, Achim kommt langsam nach. Der Anker fällt perfekt in Sand auf 20 Meter.
Wie Marta es bereits erzählte, bedeutet ein Insel-Seitenwechsel am Tag bevor der Wind dreht, fiesen Schwell aus Osten. Lustig wackeln wir von einer Seite auf die andere.
Am nächsten Tag hat der Wind gedreht. Die Dünung auch. Sie läuft jetzt westlich in die Bucht ein. Beeindruckend. Unser Nachbar-Katamaran ‚Qxygen‘ verschwindet bis zur ersten Saling hinter den Wellen. Cool. Das Geschaukelt ist nun viel besser. Alle 14 Sekunden kommt eine Woge durch, leichtes Rollen, das war’s.
Der Wetterbericht spielt verrückt. Der windarme Streifen, der den Wirbel in Ost- und Westwind teilt soll mal über uns, mal unter uns durchgehen. Windstärke und Richtung werden alle vier Stunden korrigiert. Solange wir nichts genaueres wissen, bleiben wir auf der ’schmuddeligen‘ Seite der Osterinsel. Hier befinden sich Öltanks, die per Pipeline von Tankern befüllt werden und eine Mülldeponie. An Land können wir nicht. Es gibt wohl einen kleinen Steg für die Besatzung der Tankschiffe, aber ein Dinghy kann man dort nicht lassen. Und nach Hanga Roa sind es vier Kilometer zu Fuß.
Auch am dritten Tag stellt sich nicht der gefürchtete Wind in Sturmstärke ein. Wir atmen erleichtert auf. An Tag vier ist alles vorbei. Jetzt wird schwacher Ostwind erwartet, so dass wir wieder nach Hanga Roa zurück fahren. Noch steht hier die Dünung aus Westen, so dass der Hafen weiterhin gesperrt bleibt. Fünf Tage konnten wir nicht an Land. Gut für den, der vorher ein paar frische Lebensmittel gebunkert hat.






