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Cuicocha – eine Kraterwanderung

So.,22.Jul.18, Ecuador/Otavalo, Tag 1513, 13.337 sm von HH

Vierzehn Kilometer Wanderung. Sechshundert Meter Aufstieg. Vierhundert Meter Abstieg. Auf einer Höhe von 3.500 Metern. Das stinkt nach Ciudad Perdida-dem höllischen Tag zwei.
Wir riskieren es trotzdem. Zählt diese Wanderung doch zu den schönsten Ecuadors. Und trainiert haben wir ja schließlich auch.

Der schlimmste Anstieg von vierhundert Metern kommt gleich am Anfang. Der ist überlebbar. Die Wege sind gut, wo es sehr steil ist, sind Treppen gebaut. Schmale Sandwege ohne Stein- und Wurzelfallen. Der Blick auf die beiden Inseln, etliche Meter unter uns, ist herrlich. Wie Grießklöße in einem Kirschsuppen-Teller schwimmen die Inseln in der blauen Lagune.

Cuicocha-Lagune mit den zwei Inseln

Cuicocha-Lagune mit den zwei Inseln

Orchideen säumen den Weg, Bromelien sitzen auf den letzten verbliebenen Bäumen. Und dann das Pampas-Gras. Unverschämt grinst es jedem Hobby-Gärtner ins Gesicht. Welcher Gartenbesitzer und Gräser-Freund hätte noch nicht versucht, sich diese Zicken unter den Gräsern in den heimischen Beeten anzupflanzen? Vergeblich versucht. Spätestens nach dem zweiten Winter hat man nur noch Matschpampe statt anmutiger Wedel. Hier ist es anders. 10, 100, 1000, unendliche Pampasgras-Wedel wachsen in den Himmel.

Pampas-Gras

Orchideen

Orchideen

Pampas-Gras

Die Wege sind einfach zu laufen

Die Wege sind einfach zu laufen

Sechseinhalb Stunden brauchen wir für die ‚kleine‘ Wanderung. Fit, wie wir Cockpit-Sitz-Schlaffies inzwischen sind, benötigen wir nur 30 Minuten mehr als der Wanderführer verspricht. Na, geht doch.
Allerdings hat Achim mich bis zur Hälfte ganz schön gescheucht.
Um 15:00 Uhr wartet ein verabredetes Taxi auf uns. Typisch deutsch wollen wir da ja wohl nicht zu spät kommen. Unser Hostal hat den Fahrer gleich für fünf Gäste organisiert. Mit uns fahren noch ein Spanisches Pärchen und eine Tschechin, so dass wir uns die 25 USD für Hin-Und Rückweg teilen können. Praktisch. Zu Beginn der Tour waren die direkt nach fünf Minuten verschwunden. Komisch, immer sind alle sind schneller als ich. :roll:
Mit der ‚Ciudad Perdida‘ ist das hier aber nicht zu vergleichen. Da habe ich meine ganze Kraft für die schlechten Wege verbraucht und konnte einfach nicht mehr. Diese Wanderung ist unschwierig, nur braucht es ab und an ein Päuschen zum Luftschnappen.

Der Anfang beißt in der Lunge - 400 Meter höher auf 3500

Der Anfang beißt in der Lunge – 400 Meter höher auf 3500

Immer am Kraterrand entlang

Immer am Kraterrand entlang

Der eigentliche Vulkan, der Cotacachi, überragt seine Lagune noch um 1.500 Meter. Vor uns hüllt er sich heute schüchtern in Wolken. Der Cotacachi ist einer der ersten Berge in den Anden, der seinen Gletscher verloren hat.
Die Legenden der Indigenas berichten, dass der Vulkan Imbambura und der Cotacachi ein Liebespaar seien. Wenn morgens Schnee auf dem Gipfel des Cotacachi lag, hatte Mama Cotacachi nachts Besuch von Imbabura. Die ältere Bevölkerung sieht in dem Verlust des Gletschers eine Bestrafung von Mama Cotacachi. Die jungen Leute sehen darin die Folge der Erderwärmung.

Ein paar Bäume wurden noch übrig gelassen

Ein paar Bäume wurden noch übrig gelassen

Schöne Lagune im Naturschutzgebiet Cotacachi

Schöne Lagune im Naturschutzgebiet Cotacachi

Otavalo

Fr.,20.Jul.18, Ecuador/Otavalo, Tag 1511, 13.337 sm von HH

Das Stadtbild von Otavalo wird von den ‚Otavalos‚, Angehörigen der indigenen Kichwa-Gruppe, in ihren Trachten beherrscht. Was abgelegen auf dem Dorf nicht überrascht, lässt uns in der Stadt verwundert die Augen reiben. So eine Trachten-Dichte hätten wir nicht erwartet. Die Frauen tragen buntbestickte Blusen mit Gardinen-Ärmeln. Dazu gehört ein knöchellanger Rock mit bunt besticktem Gürtel. In diesem steckt bei jungen Frauen häufig das Handy, während sie ihr Kind in geschickter Wickeltechnik auf dem Rücken tragen.
Die Herren tragen weiße Hosen unter einem blauen Poncho und beiderlei Geschlecht trägt leichte Samba-Sandalen, die weder für die Temperaturen noch für die elenden Steigungen im Bergland geeignet scheinen.

Typische Frauen in Otavalo

Typische Frauen in Otavalo

Alles wird in Tüchern auf dem Rücken getragen

Alles wird in Tüchern auf dem Rücken getragen

Die ‚Otavalos‘ zählen zur wohlhabendsten Ureinwohner-Ethnie in gesamt Lateinamerika. Ihre Webereien haben bereits den Inkas gefallen als diese das Land eroberten. Danach kamen die Spanier und brachten Webstuhle mit, so dass sich die Webkunst von Otavalo in den gesamten Anden verbreitete. Heute behaupten die ‚Otavalos‘, dass sie die unmittelbaren Nachkommen der Inkas seien.

Täglich findet ein großer Markt auf dem ‚Plaza de Ponchos‘ statt mit Webwaren aller Art: Decken, Ponchos, Pullover, Schals und Teppiche. In jeder Qualität, aus Lamawolle, Schafswolle und Alpaka. Unzählige Händler bieten ihre Waren an. Handarbeit ist es zum größten Teil längst nicht mehr, sondern in Fabriken gefertigte Ware. Einige Teile sind sehr schön und ausgesprochen kuschelig sind die Alpaka-Teile. Widerstand ist zwecklos, eine Decke wandert in unseren Warenkorb.

Wollmarkt auf dem Plaza de Poncho

Wollmarkt auf dem Plaza de Poncho

 

Nicht nur Ware für Touristen, in den Hostals finden sich genau diese Decken auf den Betten

Nicht nur Ware für Touristen, in den Hostals finden sich genau diese Decken auf den Betten

Otavalo liegt malerisch eingebettet zwischen drei Vulkanen. Zu Fuß ist es nicht weit und schon stehen wir mitten in der umliegenden Landwirtschaft. Wir brauchen nur ein „paar“ Stufen bergauf schnaufen und wir finden uns in mitten von Feldern wieder.
Das einzig Lästige sind die vielen Hunde. Jeder Haushalt hat mindestens zwei, besser noch vier oder fünf Hunde. Wütend kläffen uns die meisten an, wenn wir passieren. Ein junges Mädchen pfeift ihre zwei Hunde zurück. „Sind die gefährlich oder nicht gefährlich?“, fragen wir sie. „Gefährlich“, kommt ihre selbstverständliche Antwort. Super, genau die Antwort wollen wir hören. Es hilft, sich nach einem Stein zu bücken, wenn ein Hund zu nahe kommt. Diese Geste kennen die Viecher, sofort machen sie einen Bogen um uns. So mancher Stein mag sie schon getroffen haben. :-(
Es sind überwiegend keine Streuner, sondern wohlgenährte, halbwegs gepflegte Tiere.

Egal an welchem Hof wir vorbei kommen - die Hunde warten bereits

Egal an welchem Hof wir vorbei kommen – die Hunde warten bereits

Unberührte Landschaft sucht man vergeblich, jeder Quadratmeter ist beackert. Auf kleinen Parzellen wachsen Getreide, Lupinen, Kartoffeln und Gemüse. Gepflügt wird maschinell, die Ernte erfolgt mit der Hand. Mit einer kleinen Sichel ernten zwei Frauen Roggen mit krummen Rücken. Bekleidet in ihren Blümchen-Blusen und Sandalen. Dazwischen spaziert ein Schäfer mit seinen Schafen.
Auf uns wirkt es friedlich, idyllisch, wie heile Welt. Aber was für ein Knochenjob.

Landwirtschaft in kleinen Parzellen

Getreideernte per Hand

Getreideernte per Hand

Unser Ziel ist der ‚Lerchero‘, der Milchmann auf 2.850 Meter. Dieser, angeblich tausend Jahre alte Baum, wird seit jeher von der indigenen Bevölkerung als heilig verehrt. Es werden ihm magische Kräfte zugesprochen. Der milchige Saft, der austritt, wenn man ein Blatt abreißt, wird zur Wundheilung oder als Klebstoff eingesetzt. Heute ist der Lechero eingezäunt, um die Rinde vor weiteren eingeritzten Liebesbekundungen zu schützen. Altersschwach müssen einige Äste gestützt werden. Auf diesem herrlichen Plateau, eingerahmt von drei Vulkanen, können wir uns wunderbar Schamanen-Rituale bei Vollmond vorstellen.

El Lechero

El Lechero

Bitte, nenn‘ es nicht Spaziergang!

Di.,10.Jul.18, Ecuador/Baños Tag 1501, 13.337 sm von HH

‚Unschwieriger Spaziergang auf schmalen Pfaden‘, so beschreibt unser nutzloser Wanderführer unsere heutige Tour. Gelächter! Achim wüntschte sich, er hätte seine Machete dabei gehabt und ein Gewehr. Der erste Teil ist in der Tat unschwierig, leicht bergauf und parallel zum Rio Pastaza, der sich in einer tief eingeschnittenen Schlucht schlängelt.
Der Weg ist gut zu erkennen und wird auch von den Bauern genutzt, wie an frischen Esel-Äpfeln auf dem Weg zu erkennen ist. An den steilen Hängen ackern sie mühsam Zuckerrohr und Orangenbäume stehen voller Früchte. Idylle? Was wie der perfekte Okö-Hof wirkt, ist entbehrungsreich und mühsam.

Harmloser Wanderweg am Pastaza

Harmloser Wanderweg am Pastaza

 

Pastaza Schlucht

Pastaza Schlucht

Was man so Brücke nennt

Was man so Brücke nennt

Für Achim hört die Idylle spontan auf als drei Hunde hinter einem Schuppen lauf kleffend auf ihn zustürmen. Der größte Köter gebärdet sich am gefährlichsten und lenkt mit seinem Theater prima die Aufmerksamkeit auf sich. Sein Trick geht auf: der Kleinste kneift Achim hinterrücks in die Wade. Vorbei an diesen Monstern traue ich mich keinen Meter weiter. Nur hundert Meter zuvor hatte der Bauer uns einen Dollar abgeknöpft, weil der Wanderweg über sein Privatgelände führt. Dahin gehe ich zurück und hole ihn zur Hilfe. So funktioniert es, er beruhigt seine Hunde und wir können unbeschadet vorbei.

Idyllische Landwirtschaft mit wütenden Hunden zwei Minuten später

Idyllische Landwirtschaft mit wütenden Hunden zwei Minuten später

Mit tollem Blick auf die Schlucht geht es nun heftig bergauf. Vor uns liegen nahezu senkrechte Steilwände, die müssen wir umlaufen. Am höchsten Punkt passieren wir noch einmal einen winzigen Hof. Längst sind die zwei Stunden verstrichen, die der Wanderführer für diese Tour angibt. Haben wir schon die Hälfte? Wir wissen es nicht. Der Bauer weist uns den richtigen Weg. „Si, si, dahinten geht es weiter“.
Wir sind unsicher. Ein Weg ist kaum zu erkennen. Hier läuft wohl nur selten jemand. Der kaum sichtbare Trampelpfad verschwindet im Gras.
Zeitweise verlieren wir komplett die Spur, laufen in die Irre und müssen erneut suchen. Aus flachem Gras, haufenweise Minze, wunderschönen Wildblumen und Kräutern, wird echter Wildwuchs. Wir kommen nur mühsam voran. Das schöne Wetter verzieht sich. Das Gestrüpp wird dichter, erste Lianen peitschen ins Gesicht, Kletten haften in den Haaren und an unseren Jacken, Das meterhohe Gras ist feucht und weicht Hose und Schuhe auf.

An dem steilen Hang vor uns führt der weitere Weg lang

An dem steilen Hang vor uns führt der weitere Weg lang

Unser "Weg" (?)

Unser „Weg“ (?)

Achim geht als Leithammel vorweg

Achim geht als Leithammel vorweg

Dafür geht es kontinuierlich bergab. Gefühlt sind wir richtig. Einen Blick auf die Schlucht haben wir schon lange nicht mehr. Die Sicht ist durch Bäume, Schilf und Gestrüpp versperrt. Zum Glück, denn links neben dem Weg geht es senkrecht runter. Im Grunde wandeln wir auf einem schmalen Grat an dem steilen Hang. Wer über ein Grasbüschel stolpert muss darauf hoffen, dass das Dornengestrüpp den freien Fall bremst. ‚Spaziergang auf schmalen Pfaden’….pfffft.

Nach einer Stunde Kampf ist der Pfad leichter zu erkennen. Die Bergflanken sind wieder beackert, erste Felder tauchen auf und die Wege werden von Bauern genutzt. Gerettet! Schon bald taucht auch die, im Wanderführer versprochene, ‚Tarabita‘ auf. Eine Tarabita ist eine einfache Seilbahn, die in den Anden von Ecuador und Kolumbien genutzt wird, um Schluchten zu überqueren. Ein einfaches Körbchen hängt an einem Seil und mit Hilfe einer Rolle und der Schwerkraft werden die Köbe von einer Seite zur anderen geschickt. Unsere Tarabita hat zusätzlich einen Motor, der den Korb hin und her schickt.

Typische Gondel der Tarabita

Typische Gondel der Tarabita

Wir sind nur froh, dass die Tarabita nicht außer Betrieb ist. Todesmutig steigen wir ein. Die Tiefe unter uns ist beeindruckend. Wow. Erst sind nur ein paar Meter uns als wir über einem Fluß schweben. Aber plötzlich verwandelt der Fluß sich in einen Wasserfall und unter uns ist nur noch Abgrund. Zu Achims ‚Freude‘ stoppt der Korb in der Mitte, damit wir ausgiebig Zeit haben, die Aussicht zu genießen. :mrgeen:

Der Blick aus der Tarabita auf die Schlucht - hundert Meter unter uns

Der Blick aus der Tarabita auf die Schlucht – hundert Meter unter uns

Der Blick zurück aus dem Käfig und woher wir kommen

Der Blick zurück aus dem Käfig und woher wir kommen

Viereinhalb Stunden haben wir für den unschwierigen Spaziergang gebraucht und sind total im Eimer. Mit dem Bus fahren wir nach Banos zurück, schnell was Essen und Füsse hoch.

 

Baños – im Süden der Allee der Vulkane

Mo.,09.Jul. 18, Ecuador/Baños Tag 1500, 13.337 sm von HH

Aktion ‚rote Blutkörperchen züchten‘ läuft. Gleich beim ersten Ausflug verdoppelt sich meine Anzahl. Was der Wanderführer als leichten Spaziergang deklariert, entpuppt sich als schweißtreibender Ausflug.Und dann kommt auch nach der halben Strecke auch die Sonne raus. Ich verfluche das Hemdchen unter dem langärmeligen T-Shirt, unter dem Fleece, unter dem Windbrecher.
Der Rucksack schwillt zum Ballon durch die ganzen abgelegten Klamotten.

Morgens habe ich das alles noch gebraucht. Mit leichtem Niselregen und gefühlten 10 Grad empfängt uns Baños. Unsere Nachtfahrt verläuft mittelprächtig: Mein Sitz lässt sich nicht nach hinten verstellen, ausweichen ist nicht, alle Plätze sind belegt. Dazu ist es kalt wie im Eisschrank und eine Mitfahrerin meint, den ganzen Bus mit ihrem Telefonat unterhalten zu müssen. Kennen wir alle, diesen Typ. Die bauen sich in der S-Bahn auf und prädigen, was für ein toller Hengst sie doch sind. „Nachher habe ich eine Video-Konferenz mit Singapore und mein Kollege Frank ist der größte Idiot aller Zeiten.“ Die junge Frau schrillt mit ihrer Stimme den Bus zu und erzählt ihrer Freundin in Echtzeit das geschen der letzten Woche.
Der Rest der Fahrt ist dann okay. Einmal umsteigen, klappt prima und bereits um 6:00 Uhr morgens stehen wir vor unserem Hostal. Bei besagtem Nieselregen. Zum Glück ist unser Zimmer schon frei und wir sind herzlich willkommen zu dieser Unzeit. Und um 8:00 gibt es sogar ein Frühstück geschenkt.

Das miese Wetter nutzen wir, um den 18.000 Einwohner-Ort zu erkunden. Eine Schönheit ist der Ort nicht. Typico equadorianisch ebenfalls nicht mehr. Dazu kommen zuviele Touristen nach Baños. Zum Moutain-Biken, Bungee Springen und Rafting.
Baños liegt eingekesselt in ein schmales Tal, umgeben von sensationeller Landschaft. Die versteckt sich noch im Nebel. Vom Tungurahua, einem sehr aktiven Vulkan, der über Baños trohnt, ist nichts zu sehen. Im Ort gibt es allerdings Hinweisschilder mit der Flucht-Route im Falle eines Ausbruchs.
Unregelmäßig, alle paar Monate, meldet sich der Tungurahua mit lautem Grummeln oder einer Aschewolke zu Wort.

Unzählige Wasserfälle gib es in und um Baños

Unzählige Wasserfälle gib es in und um Baños

Kirchenportal

Kirchenportal

Nach dem Mittag lockert es auf und wir entscheiden uns, diesen ‚Spaziergang‘ zu unternehmen.Der Weg ist einfach, aber mörderisch steil. Wir forschen nach einer Abkürzung, die sich in einem Nebenweg anbietet. Nein, Fehlanzeuge, die Bauersleute auf die wir treffen, schicken uns zurück auf den fiesen Weg. Hier nur privado.Wir beißen uns durch. Der Lohn ist eine schöne Sicht auf Baños und rote Blutkörperchen.

Baños - malerische Lage

Baños – malerische Lage