Ein Scheiß Problem

Di.,11. Aug.15, Gran Canaria, Tag 437, 2.728 sm

„Ihhh“ höre ich Achim rufen, „irgend etwas tropft bei uns im Abfluss-Schrank. Hol mal schnell eine Taschenlampe.“ Was im Strahl der Taschenlampe zu sehen ist, lässt uns das Blut in den Adern gefrieren. Braune Laufspuren direkt unter dem Fäkalientank. :shock: Ihhh, aber es riecht zumindest nicht. Das ist schön, allerdings merkwürdig.

Mit Latexhandschuhen und Stirnlampe bewaffnet, mache ich mich ans Werk (Freiwillige vor J ). Schon beim ersten wischen bemerke ich kleine, harte Krümelchen. Beherzt mache ich am Lappen die Geruchsprobe. Auf die auf Schiffen übliche Geschmacksprobe bei unerwartetem Wasser im Schiff, ob süß oder salzig, verzichte ich. Entwarnung! Bei den braunen Laufspuren handelt es sich eindeutig um Rost. Nur um Rost. ;-)

Somit kann der Edelstahl-Tank schon mal nicht durchgerostet sein.

Jetzt leuchten wir den kleinen, dunklen Raum mit Flutlicht aus und unterziehen den Tank einer gründlichen Inspektion. So wie es aussieht, hat sich nur Kondenswasser am Tank gesammelt und ihn an der Oberfläche zu ein wenig Rost geführt.
Leichte Korrosion findet in dem, mit Ventilen und Abflüssen vollgestopften, Feucht-Raum seit Jahren statt. Die Bronze-Ventile haben auch schon ihre grünen Lauf-Spuren hinterlassen. Das ist doch eine gute Gelegenheit diesen unbeliebten Schrank endlich mal auf Vordermann zu bringen Ich pinsel die fleckige Wand strahlend schön mit Bilgenfarbe un der Fäkalientank bekommt eine Hammerit-Kur. Wir hoffen, dass sich unsere Diagnose der Oberflächen-Korrosion als richtig erweist. Zukünftig ist auf der weiß-wie-Eisbär Oberfläche jeder Rosttropfen zu sehen und wir können sofort handeln. Die Ventile sehen zwar noch immer etwas abgerockt aus, aber sie sind zuverlässig beweglich und „never touch a running system“.

Ventilschrank

Ventilschrank

 

An die Kette gelegt

Mo., 10. Aug.15, Gran Canaria, Tag 436, 2.728 sm

Ich habe ja schon mehrfach berichtet,  dass uns Las Palmas begeistert. Die Stadt  ist vielleicht einen Tick zu groß, aber das stört nicht wirklich.
Richtig ätzend ist nur die große Straße zwischen Hafen und Stadt.

Der Rest ist sehr ‚local‘, wie es von allen hier genannt wird. Typisch spanisch, untouristisch, einfach nett und unaufgeregt.

Wir fühlen uns sicher und wohl hier.
Nur eine Unsitte scheint weit verbreitet: Fahrrad-Klau.
Ein Nachbar, zwei Boote weiter, berichtet vom dreisten Diebstahl direkt von seinem Kahn runter – am helligten Tag. :shock:

Nachts sollen die Diebe mit Schlauchbooten kommen und die Räder direkt von Bord pflücken.

Jeder warnt uns, alle weisen uns darauf hin. Somit haben wir einen Gegenplan entwickelt.
Statt des üblichen Fahrradschlosses, was man mit einer Kneifzange und Büroklammer knacken kann, rüsten wir auf.

Ich fahre jetzt mit einer Ankerkette und einem Monster von Vorhängeschloss in der Satteltasche umher. Diese ist lang genug, um beide Räder an einer 500 Jahre alten Ulme zu sichern.
Achim hat es gut gemeint mit der Länge der Kette.
Blöd nur, dass sich das Gewicht des Rades dadurch spontan verdoppelt hat. Jedes Verkaufsgespräch über das geringe Gewicht so eines Klapprades wird ad Absurdum geführt.
Dazu kommt die Schlepperei runter von Bord, wieder rauf aufs Schiff, da wir unsere Räder mittlerweile auch an Bord anketten.

Den Eindruck, den ich mit meiner Kette vor Geschäften hinterlasse ist unerfreulich. Es sieht ja so aus als würde ich alle hier für Banditen halten.
Nun, da muss ich durch (und die Canarios ebenfalls), nützt nix, mein Rad ist mir heilig!

Dass das Boot das aushält…

Mi., 05. Aug.15, Gran Canaria, Tag 431, 2.728 sm

…war eigentlich nie eine Frage.
Jeder, der was von Schiffen versteht (und auch welche ohne Plan) haben uns immer bescheinigt, dass wir ein schweres, stabiles, absolut seegängiges Schiff haben.
Dieses Schiff hält mehr aus als die Crew und kann locker die Welt umsegeln.

Ich habe diesen Behauptungen Glauben geschenkt.

Um so größer war dann mein Entsetzten als ich vor ein paar Monaten einen Riss entdeckte. Mitten im Salon unterm Sitz von Achim.
Keine Ahnung, seit wann sich der dort schon befindet. Die Stelle wird halb verdeckt vom Salontisch. Dort ist es dunkel und man kommt nicht wirklich daran vorbei.
Achim beruhigte mich. Ich schwieg. Ich schwieg in der stillen Hoffnung, dass der Riss dort schon immer war.

Dann vor vier Wochen fand ich den zweiten Riss. :shock:
Auf der anderen Seite vom Salon in der Ecke zum Schrank. Der musste neu sein. Okay, das ist eine Ecke in der man nicht jede Woche Staub wischt, aber er wäre mir schon vorher aufgefallen.

Wir brechen doch nicht auseinander? Mamma mia!
Achim schafft es, mich wieder zu beruhigen. Muss wohl an seiner Kompetenz als Bootsbauer und Schiffszimmermann liegen.
Holz ist nicht wirklich seins, aber er lullt mich ein. Sind ja nur die Möbel, beruhige ich mich selber.

Es bleibt jedoch so viel Unsicherheit, dass ich wieder schweige.
Klar, wer berichtet schon gerne davon, dass sein Schiff auseinander bricht? Oder zumindest droht, auseinander zu brechen?
Oder entschärft formuliert, dass sich das Mobiliar verzieht, weil das Schiff sich verwindet. Hallo, eine Hanseat verwindet sich nicht!

Heute breche ich das Schweigen, denn wir sind nicht länger allein. :-)
Es erreicht uns eine Mail eines befreundeten Bootes.
Lapidar tauschen sich die beiden Skipper über anstehende Reparaturen aus. Beiläufig wird Achim berichtet, dass Risse im Mobiliar zu beseitigen sind.

Ein paar Mails später mit der Dame des Schiffes und bin ich im Bilde.
Da sie ebenfalls in Schweige-Starre gefallen ist, als die ersten Risse entdeckt wurden, bewahre ich hier ihre Anonymität und nenne sie nur B von der SY C.

Unsere Schiffe sind, was Qualität, Alter und Bauweise betrifft, sehr gut vergleichbar. Ebenfalls eine Werft ohne Tadel.
B’s Worte in ihrer ersten Nachricht:  „ich bin so froh, dass ihr welche habt, hab auch nicht drüber gesprochen“
Nein, keiner spricht gerne drüber. Zumindest keiner, dem verkauft wurde, dass das Boot das aus hält. Also eine Weltumsegelung aushält.

B und ich tauschen Fotos von den entdeckten Schäden aus und Infos über unsere Männer.
Die haben ebenfalls Gemeinsamkeiten. Beide sind eher Elektronik lastig als Holz interessiert, beide mit dem Hang zum Hobby-Funker.
Über die Risse im Mobiliar herrscht auch auf der C absolute Tiefenentspannung beim Skipper.

B fasst unsere gemeinsame Situation pragmatisch zusammen:
„Wenn unser Funk super läuft und wir absaufen, weil die Karre auseinander bricht, können wir noch immer Tschüss sagen. Egal wo wir sind.“  :mrgreen:  :mrgreen:

B, ich freu mich auf Dich. :-)

Inzwischen habe ich mich getraut mit dem echten Fachmann der Familie zu sprechen: Gert hat seiner Tochter nicht dringend geraten, das Schiff fluchtartig zu verlassen.
Das ist ja eine gute Nachricht.
Im Augenblick tauschen wir Bilder aus und die finalen Reparatur-Vorschläge erhalte ich in Deutschland. Mit ein paar Holzschrauben ist es nicht getan. :shock:

 

Achterstag Anschlussklemme für die Kurzwellenantenne

Mo., 03. Aug.15, Gran Canaria, Tag 429, 2.728 sm

Bislang hatte ich die Zuleitung vom Antennentuner zum Achterstag mit Froschklemmen (Seilklemmen) angeschlossen. Diese Variante wird von vielen Seglern verwendet und sie funktioniert. Die großen Nachteile liegen jedoch darin, dass Wasser in das Kabel eindringen kann, was unweigerlich zu Korrosion führt und in der sehr kleinen Kontaktfläche zwischen Achterstag und Froschklemme.
Natürlich gibt es fertige Achterstagklemmen aus Edelstahl im Fachhandel zu kaufen.
In der Regel sind diese Klemmen für den Anschluss von 2,5mm² Litzenkabel geeignet. Da unsere Zuleitung einen Litzenquerschnitt von 12 mm² hat, wäre das Teil etwas unterdimensioniert. Ich könnte das Kabel ändern, aber aufgrund der guten Korrosionseigenschaften unseres Kabels, ist das keine Option für mich.

Die Klemmen kosten zwischen 40 und 50 Euro und hier ist spätestens der Punkt erreicht, an dem der Igel in meiner Tasche seine Stacheln ausfährt.

Mein Plan war also, eine solche Klemme in Messing nachzubauen. In Las Palmas besuchte ich daher den Laden, in dem ich auch die Kupferfolie für unsere Funkerdung gekauft hatte. Nur nebenbei bemerkt….dieser Laden ist einfach göttlich, da es hier alles gibt…Kupfer, Messing, Alu, Edelstahl in allen Formen und Längen. Hier erwarb ich einen massiven Messingquader (35x35x40mm), den es nun zu formen galt.

Kosten unschlagbare € 6,80 für ca. 0,4 Kg Messing.

Die einzelnen Schritte:

  • Bohrständer einstellen und Stagbohrung (10mm) über die gesamte Länge (45mm) vornehmen
  • Bohrungen für die Halteschrauben (3,5mm)
  • Bohrung für das Antennenkabel ; 15mm mit 5mm zur Aufnahme des Kabels inkl. Isolierung und dann noch
  • 25mm mit 4mm zur Aufnahme der Litze.
  • Bohrungen im Verlauf des Kabelkanals für die Klemmschrauben
  • Das Teil der Länge in der Mitte der großen Bohrung aufsägen
  • Schneiden aller notwendigen Gewinde

 

Ich werde die Klemme jetzt erst einmal testen und dann noch einmal für die finale Anpassung abnehmen (das Stag ist mikromäßig dicker als 10mm und die Schrauben müssen noch etwas gesenkt werden). Das Ganze ist allerdings jetzt schon so stabil, dass man ein Pferd daran aufhängen könnte.

Die Büchse der Pandora

Sa., 01. Aug.15, Gran Canaria, Tag 427, 2.728 sm

Die Büchse der Pandora enthielt gemäß der griechischen Mythologie drei bis dahin unbekannte Übel: Arbeit, Krankheit und Tod.
Die Hoffnung war das einzig Positive, was die Büchse enthielt.
Bevor diese ebenfalls entweichen konnte, wurde die Büchse wieder geschlossen und die Welt wurde zu einem tristen Ort voll Übel und Leid. Erst als Pandora erneut die Büchse öffnete, entwich die Hoffnung und gab den Menschen Trost.
Aber das wunderbare Zeitalter in dem die Menschheit von allem Übel verschont war, ist endgültig vorbei.

Unsere Büchse der Pandora heißt: Atlantik-Überquerung.

Einmal geöffnet, entströmen bis dato unbekannte Übel wie

  • Ersatzteil-Beschaffung drüben unmöglich
  • fleischlose Zeiten auf See
  • die tropische Sonne zerstört alles
  • Kakerlaken bevölkern das Schiff

Einmal geöffnet, spricht man über nichts anderes mehr. Jedes Gespräch findet automatisch seinen Weg zur „Atlantik-Überquerung“. Als ob es keine anderen Themen gäbe auf der Welt.
Einmal geöffnet, stößt man überall auf Hinweise, was zu beachten sei, vorher, während und danach.

Auf der anderen Seite des Atlantiks, so heißt es, gibt es entweder alles, wie in den französischen Departements (Martinique, St. Lucia, französisch Guyana), jedoch zu horrenden Preisen, oder es gibt nichts.
Überall lesen wir oder bekommen aus erster Hand von Mittseglern die Infos, dass die Kanarischen Inseln die letzte gute Gelegenheit zum Bunkern, Besorgen und Organisieren sind.

Allerdings steckt auch in unserer Büchse die Hoffnung und heißt bei uns: gut vorbereitet sein.

Die meisten Segler, die noch in diesem Jahr über den Atlantik wollen, sind noch nicht eingetroffen, aber mit der La Joya haben wir schon jetzt tolle Freunde gefunden, die mit uns gemeinsam die Hoffnung aus der Büchse lassen.

Einkochen für die Atlantik-Überquerung

Gabi und ich widmen uns dem Übel „fleischlose Zeiten“.

Dafür kaufen wir gemeinsam ein und treffen uns zum Einkochen auf der La Joya (deren Pantry ist einfach riiiesig). Ich rücke mit unserem halben Hausstand dort an. Elektrokocher, Schnellkochtopf und gesammelte Twist-Off-Gläser.

Wir versuchen uns an Hack, Schwein, Hähnchenbrust und Rindfleisch.
Das Fleisch braten wir jeweils nur mit Salz und Pfeffer an, füllen Bratensaft auf oder kochen es trocken ein.
Die andere Hälfte unserer Fleischsorten verarbeiten wir weiter zu Rinder-Gulasch mit Pilzen und Schweine-Gulasch mit Möhren und Kartoffeln. Außerdem eine Tomaten-Hack-Soße für Spaghetti und Hähnchenbrust, einmal als Curry zubereitet und einmal mit Zwiebeln und Tomaten.

Die Aktion dauert Stunden. Die Einkochzeit beträgt 20 Minuten, aber der Schnellkochtopf darf dann nicht abgedampft werden, sondern wir müssen warten, bis der Druck von alleine entwichen ist.
Die Fleisch-Konserven sehen ein wenig aus wie frisch aus der Pathologie. Sie schmecken aber hervorragend, wie die Probe eines einzigen Glases ohne Vakuum zeigt.

Eine schöne Aktion, die mit Gabi sehr viel Spaß macht. Alles, was nicht mehr in die Gläser passt, kochen wir zu einer großartigen Nudelsauce zusammen und verbringen einen weiteren netten Abend mit Gabi und Michael.

Achim ist begeistert, da er sich über unseren Anteil der Gläser hermachen wird, wenn ich in Deutschland bin und er nicht wie im letzten Jahr ekelige U-Ravioli essen muss.
Ich hätte die einzelnen Gläser zwar auch gerne selber probiert, um zu beurteilen, was sich lohnt einzukochen, aber Achim wird mir schon berichten.

Übrigens hat Nietzsche, die alte Spaßbremse, die Hoffnung als das übelste der Übel in der Büchse bezeichnet: Sie verlängere nur das Leiden der Menschheit. :mrgreen: