Mi., 12.Nov.14, Sevilla/Spanien Tag 165, 1.714 sm von HH
Wie gesagt, ist unser Hotel überraschend hübsch und für 55,00 EUR die Nacht ein Schnapper. Es befindet sich in einer ehemaligen Sakristei, hat umlaufende, überdachte Gänge zum Atrium, nur leider geht unser Zimmerfenster zum Gang. Dies sollte noch zu Problemen führen…
Sevilla ist spanisch, so spanisch wie man sich eine Stadt nur vorstellen kann, sozusagen das stadtgewordene Spanien. Schwarz lackierte Balkone und Fenstergitter vor verzierten Fassaden, die in kräftigen rot bis gelb Tönen gestrichen sind. Die drittgrößte Kirche der Welt, ein riesiges, gotisches Gesamtkunstwerk. Dann eine sehr verwinkelte Altstadt, extrem gut in Schuss, keine Leerstände der oberen Etagen, kein Verfall wie in Portugal.
Schwere, zum Teil mit Metall beschlage, Holztüren stehen offen und lassen einen Blick in die gekachelten, liebevoll mit Töpfen dekorierten „Hausflure“ zu. Orangenbäume stehen voll behangen mit bald reifen Früchten als Straßenbäume links und rechts des Weges und lachen einem Nordeuropäer frech ins Gesicht.
Die Altstadt wird von einem Labyrinth enger Straßen beherrscht, schmale Gasse enden an einer 5er Kreuzung, Wege gabeln sich, machen unerwartet Biegungen und teilen sich wieder, so dass uns die Orientierung schwer fällt. Als wir merken, dass die olle Touristenkarte nicht nach Nord ausgerichtet ist, wird es etwas besser, aber es bleibt eine schwierige Stadt.
Etwas außerhalb dieses Gewusels steht die Plaza de Espana, ein Platz mit 200 Meter Durchmesser, der anlässlich der Iberoamerikanische Ausstellung 1926 errichtet wurde. Das Gebäude ist versehen mit vielen Keramiken und Marmor und war mehrfach Schauplatz in diversen Spielfilmen, so z.B. Laurence von Arabien (liebe Grüße an Andreas) und Star Wars.
In Sevilla, dem Geburtsort der Tapas, dürfen diese natürlich auch auf unserem Speiseplan nicht fehlen. Mit den ersten 4 haben wir großes Glück: Kleine Kunstwerke, die haben zwar nichts damit zu tun, wie Tapas ursprünglich mal gemeint waren, sind aber köstlich. Der Tapa auf dem Foto ist im Speckmantel gebratener Ziegenkäse mit Cranberry-Chutney, eine Art süßes Sauerkraut und dazu warmes Pistazienbrot mit einem Hauch Anis. Bravo – für 2,75!
So in spanische Stimmung gebracht, fehlt uns nur noch ein Flamenco, ebenfalls in Sevilla geboren. Zufällig kommen wir beim Bummeln durch die Gassen am Flamenco-Museum (dem ersten und einzigen auf der Welt) vorbei. In der Erwartung, dass in einem Museum kein Touri-Nepp gezeigt wird, fragen wir spontan, ob noch zwei Plätze für die, bereits in 20 Minuten beginnende, Vorstellung zu haben sind. Eigentlich ist bereits ausverkauft, aber Achim muss charmant auf das Mädel am Tresen wirken, denn plötzlich, wie von Zauberhand, wir sind schon am Ausgang, sind doch noch zwei Plätze frei.
Die Vorstellung findet auf einem Tablao, einer sehr flachen Bühne statt, um die ganz nah einfach Stühle herum gestellt werden. Hier im Museum ist der Raum recht klein, so dass es vielleicht 60-70 Sitzgelegenheiten gibt. Da freie Platzwahl ist, finden Achim und ich uns auf einmal auf Spitzen-Plätzen nur 2 Meter vom Tablao entfernt wieder. Nicht schlecht dafür, dass wir die Letzten waren.
Die Vorstellung dauert eine Stunde und besteht aus einem Sänger, einem Gitarristen, aus Tänzer und Tänzerin. Also, Freunde der Musik, zu Hause würden wir uns wohl keinen Flamenco auflegen, dazu ist der Gesang dann doch auf Dauer zu anklagend und weinerlich. Aber in Sevilla macht das Spaß. Der Paartanz gefällt uns am besten, die Dynamik, Kraft und Emotion, die vermittelt werden, macht Gänsehaut. Ein Solo vom Gitarristen, hinterläßt den Eindruck, dass er 1000 Töne die Minute seinem Instrument entlocken kann. Unglaublich virtuos und wenn man so nah dabei sitzt, wird einem schwindelig, wenn man dem Herren auf die Finger schaut.
Der Haupt-Akt ist aber eigentlich der männliche Solotanz. In Deutschland würde es sicherlich etwas albern wirken, wenn ein schlanker, gut aussehender Mann im schwarzen, engen Anzug inkl. Weste und knallroten (!) Stepp-Schuhen auf die Bühne kommt. Aber er tanzt jeden Anflug von Tuntigkeit einfach mit stolzen Gesten, erhobenen Hauptes weg (dies spiegelt nur meine Meinung wieder, Anm.d.Red.)
Wir sind trotzdem beide begeistert und freuen uns, dass wir so viel Glück hatten noch eine Vorstellung zu erwischen. Zwischen 18 und 22 EUR kostet übrigens so eine Show ohne Verzehr.
Nach dem Flamenco steht uns der Sinn nach weiteren Tapas
Diesmal liegen wir aber leider mit der Wahl des Lokals nicht so gut. Die Häppchen sind zwar okay, aber nicht mehr. Zumindest ist es um 20:30 Uhr so mild, dass wir noch draußen genießen können.