Archiv der Kategorie: Gran Canaria

Ein Traum in Kupfer

Sa., 07.Feb.15, Gran Canaria, Tag 252, 2.421 sm von HH

Vor einigen Monaten hatte ich den Wunsch, eine kapazitive Erdung für unsere KW Anlage einzurichten. Dazu habe ich ca. 3m² auf der Innenseite des Rumpfes (unterhalb der Wasserlinie) mit Haushaltsalufolie ausgelegt. Das Ergebnis dieses Versuchs war sehr vielversprechend und die Übertragungsraten, die ich im Pactorbetrieb hatte, haben sich durch diese Maßnahme deutlich verbessert.
Haushaltsalufolie hat unglücklicherweise nur eine Dicke von ca. 0,004 bis 0,02 mm, was etwas zu wenig ist, wenn man die Eindringtiefe von Hochfrequenzströmen bei verschiedenen Frequenzen betrachtet (Skin-Effekt) und ist darüber hinaus weder mechanisch ausreichend stabil noch ausreichend korrosionsbeständig. In Kombination mit Wasser löst sich die Folie mehr oder weniger schnell in „Luft“ auf.
Den Einsatz der allgemein bekannten kupferhaltigen Farbe eines Anbieters aus Deutschland habe ich sehr schnell verworfen, da mir die Kosten hierfür einfach astronomisch erschienen.

Seit Lagos war ich daher auf der Suche nach Kupferfolie von ca. 0,1-0,3mm. Ich weiß nicht mehr, wie viele Läden ich abgelaufen bin, aber solche Folie war einfach nicht zu bekommen….bis wir nach Las Palmas kamen. Hier bekam ich auf die Frage, ob es Kupferfolie gäbe, nur die Antwort, welche Stärke ich den wolle (Danke noch einmal an Carsten von der Namastee, der mit mir die Fahrradtour auf den Berg gemacht hat). Schnell waren 10m der 40cm breiten und 0,1mm starken glänzenden Schönheit gekauft (ca. 85€ für 3,6Kg).

Ich habe also die alte Alufolienkonstruktion komplett entfernt und die frei gewordenen Flächen mit Kupferfolie ausgekleidet. Im Nachhinein war ich froh, dass ich keine dickere Folie genommen habe, da sich schon 0,1mm als recht störrisch erweisen können. Ich halte es im Moment auch für beliebig unwahrscheinlich, dass die Folie je einreißen wird.
Um zu verhindern, dass sich die Folie selbständig macht, habe ich sie mit etwas Montagekleber an der Bordwand fixiert (das hat mir ein paar Minuspunkte eingebracht, da der Kleber nicht ganz geruchsneutral war und die Klebungen unter Sabines Schlafstätte waren…).
Beim Verlegen lohnt es sich Handschuhe zu tragen. Die Schnittkanten sind teilweise rasiermesserscharf, verursachen üble Schnitte und können die ganze Aktion im Blutbad enden lassen.

Leider gibt es auf unserem Schiff keine durchgehenden Flächen unter den Böden und Kojen. Alles ist in einzelne Fächer aufgeteilt, was sich zumindest beim Packen des Schiffes als recht praktisch erweist. Die Verbindung der Flächen in den Fächern war genau genommen der schwierigste Teil. In die Trennwände habe ich ca. 8 cm breite Schlitze geschnitten und Kupferband durchgezogen. Den Anschluss habe ich dann mit Hilfe kupferumwickelter Holzknebel erstellt (zu verbindende Folien zwischen 2 Knebel und mit mehreren Schrauben fest verschrauben).
Die Folien selbst habe ich überlappend verlegt (ca. 10cm) und in Abständen von ca. 20cm verlötet. Da ich ja nun schon dabei war, die Erdung neu zu machen, habe ich auch das Anschlusskabel vom Erdausgang des Tuners an die Folie durch ein ca. 15-20cm breites Kupferfolienband ersetzt.
Im Sprechfunk konnte ich die neue Installation noch nicht testen, da der Empfang hier am Steg L in Las Palmas einfach unterirdisch ist. Hier mitten im Mastenwald hört man außer Störungen eigentlich nur wenig Verwertbares. Wenn Nichts mehr geht, dann geht aber meist noch Pactorbetrieb.
Um es kurz zu machen….die Connects mit der Schweiz und mit Halifax konnten mehr oder weniger auf Anhieb erreicht werden. Meist waren die Übertragungssraten unter 1000Bytes/min. Eine Ausnahme war allerdings über 5000Bytes/min auf dem 20m Band kurz vor Sonnenuntergang.

Natürlich bin ich sehr gespannt, ob sich diese Variante als nachhaltig haltbar erweisen wird.

Gran Dama

Fr., 06.Feb.15, Gran Canaria, Tag 251, 2.421 sm von HH

Heute gehen wir zur ersten, von insgesamt drei,  Karnevals Königinnen-Wahlen. Es wird entschieden, welche Gran Dama hat das schönste Kostüm unter den ‚Senioren‘.
Wir befinden uns in der Begleitung von Asha&Helge (SY Gegenwind), die wir bereits im August in La Coruña getroffen haben und neu dabei und frisch kennen gelernt, die Crew der ‚Felpa‘.

Durch die Show führt ein Moderatoren-Paar und, wie immer, erfolgt eine Live-Übertragung ins Fernsehen. Wir finden auch endlich heraus, dass alle Darsteller eine Jury, und nicht etwa das Publikum, überzeugen müssen.
Der Anfang des Spektakels unter dem Motto Verkleidung ‚individuell‘ erscheint uns allerdings grenzwertig.
Die ersten beiden Acts würden nicht mal bei „Das Supertalent“ eine Bühne finden.

Nummer eins ist ein älterer Herr, der zu Elvis Songs in weißem Elvis Outfit auf einem weißen Fahrrad mit Anhänger, an dem bunte Fähnchen befestigt sind, im Kreis fährt. Mehr macht er nicht, mehr kann er (wohl) nicht.
Der Zweite ist nicht besser.  Der erscheint in einem Preditor-Anzug und deutet zu leicht sphärischer Musik Laserpistolen-Schüsse an. Dabei kann er mit einem Mechanismus die Kiefer seiner Maske bewegen. Das war’s. Boah, geht gar nicht…

Aber wir lachen uns kaputt, weil das Ganze so unfassbar schlecht ist.

 

Dann aber, nach zwei, drei weiteren „individuell‘ treten dann die Kostüme, die das Motto 1001 Nacht repräsentieren sollen, auf.
Meistens handelt es sich um recht beleibte, etwas ältere Gran Damas, die in einer Art Gestell in der Mitte stehen und aberwitzige Kostüme hinter sich her ziehen. Die „Kostüme sind zum Teil bestimmt über drei Meter hoch und ebenso lang.
Hunderte von Federn, Rüschen, Tuff und Tüll werden zu einem fragilen Teil zusammengebaut und was die älteren Ladies nicht mehr schaffen auf dem Kopf zu tragen, wird mit Hilfe von Rollen unter den Federn hinterher gezogen.
Große Bewegungen sind unter dem schweren Kostüm nicht mehr möglich, also wird nur noch huldvoll mit den Armen gewunken.
Aber aufgemerkt: never shake your arms over forty…  ;-)


Nach knapp 2 Stunden Federschlacht ist uns kalt (nachts geht es noch immer runter bis auf 14 Grad :shock: ) und wir beschließen alle, uns  in einer Bar mit Lumumba und Co. aufzuwärmen. Derweil führen, unbeobachtet von uns, noch ein paar weitere Damen ihre Kostüme vor und das ganze gipfelt in einem kleinen Feuerwerk.

Auf dem Nachhause-Weg treffen wir dann auf der Straße noch eine der Gran Damas, die sich, gar nicht damenhaft, als Herr entpuppt.


Wie wir am nächsten Morgen im Internet recherchieren, hat Madame Butterfly gewonnen: https://www.youtube.com/watch?v=ygCZ4f-chik

-absolut lohnenswert anzusehen, schon allein wegen der gruseligen Musik. :mrgreen:

Chef an Bord

Do., 05.Feb.15, Gran Canaria, Tag 250, 2.421 sm von HH

Heute Vormittag haben wir Besuch von meinem ehemaligen Big Boss. Bernd spielt in Maspalomas ein paar Tage Golf und wollte es sich nehmen lassen, uns einen Besuch abzustatten. Er schnappt sich also einen Golf-Kollegen, ebenfalls ein Bernd, der mit ihm nach Las Palmas düst.

Wie es aber immer so ist mit Chefs, sind sie natürlich nicht pünktlich und lassen ihre Leute warten. :mrgreen:
Fairer Weise muss ich aber erwähnen, dass dies nicht Bernds Schuld ist, denn die Marina per Auto zu erreichen, muss so schwierig sein, dass es sogar in unserem Hafenhandbuch Erwähnung findet. Dort wird Seglern, die sich ein Auto leihen, geraten sich die Situation und Straßenführung erst zu Fuß anzuschauen, bevor man sich ein Auto leiht.

Wir zeigen unser Schiff, plauschen über unsere Pläne und beschnacken die alte Firma im Allgemeinen und Besonderen, im Guten wie Schlechten und im Lustigen wie Traurigen. Das war wirklich eine sehr nette Idee, Golf Golf sein zu lassen und bei uns vorbei zu schauen. :-)

Murgas

Mi., 04.Feb.15, Gran Canaria, Tag 249, 2.421 sm von HH

Der Wettbewerb der Murgas findet an insgesamt drei Abenden statt, um dann am kommenden Samstag in der Finalrunde zu gipfeln.
Die Häufigkeit der Wettbewerbsrunden deutet schon eine große Beliebtheit an und dementsprechend voll ist heute der Parque Catalina.
Bei den Murgas „schlechten Musikkapellen“ handelt es sich um Gesangsgruppen, die in grellbunten, lustigen Clown-Kostümen unter der Zuhilfenahme von Tröten lautstark Karnevalslieder zum Besten geben.


Die einzelnen Gruppen sind bis 50 Mann (es sind in der Tat nur wenige Frauen darunter) stark und haben 30 Minuten Zeit das Publikum bzw. die Jury (wir wissen es nicht) zu überzeugen.
Es werden zu Beginn bekannte Karnevals-Gassenhauer gesungen, um im Anschluss, auf musikalische Weise, Kritik an politischen und sozialen Themen zu üben.
Die Murgas gibt es seit 1917, allerdings sind sie auf Teneriffa von der Besatzung eines Kanonenbootes  gegründet worden.

Wir als Nordlichter und sowieso absolut nicht Karnevals erprobt, können mit der Darbietung nicht recht was anfangen, und dass wir den Text nicht verstehen hilft ebenso wenig, um Begeisterung bei uns hervor zu rufen.
Wie auch immer, für uns ist es ja auch nicht gemacht und das spanische Publikum steht auf den Stühlen, schwenkt Luftballons und ist begeistert.


Heute entdecken wir auch, dass die vielen Kameras nicht nur die Leinwand vor Ort bedienen, sondern dass die Auftritte auf Canaria TV live übertragen werden.
Es besteht somit inselübergreifend Interesse an 1001 Nacht.

Auf dem Nachhauseweg treffen wir dann unmittelbar vor dem Eingang zu unserem Steg auf den ersten Cucaracha unserer Reise. Wie schön, dass wir keine Gangway haben, aber gab es da nicht die Geschichte, dass die Biester über die Tampen an Bord klettern? :shock:
Wir müssen da wohl was unternehmen…

Unser Tag war aber auch geschäftig, denn am Vormittag treffen wir das zweite Mal auf Freunde von Gert und Ulla.
Die beiden älteren Herrschaften, Ina und Jonny, machen Urlaub hier und wollten sich das ‚berühmte‘ Schiff mal von Nahen betrachten. Leider ist es ihnen auf Grund unserer schwierigen Einstiegs-Situation nicht möglich an Bord zu kommen. Somit bleibt es bei einer Betrachtung von außen und einem netten Schwätzchen am Steg.

Die zwei geben sich quasi die Klinke mit Carsten von der Namastee in die Hand. Wir hatten uns das erste Mal in Portugal getroffen und Carsten weiß Achim zu berichten, dass und vor allem wo es in Las Palmas die von beiden so begehrte Kupferfolie (Amateurfunk-Bedarf) zu kaufen gibt.

Carsten bietet an mit Achim dort hin zu radeln, wenn ich ihm mein Fahrrad leihe…drei Stunden später ist die Crew der Atanga stolzer Besitzer von 4 qm Kupferfolie in der Stärke 0,2 mm und die Bordkasse ist um 100 EUR schmäler.
Guter Preis, guuuter Preis, wie einhellig von Carsten und Achim geträllert wird.

Hitchhiker

Di., 03.Feb.15, Gran Canaria, Tag 248, 2.421 sm von HH

Boat-Hitchhiker werden die Tramper genannt, die hier in Las Palmas zu Dutzenden eine Passage, meist über den Atlantik, suchen. Es gibt aber auch einige, die wollen nur eine Insel weiter oder nach Afrika.
In allen öffentlichen Räumen, wie dem Waschmaschinen-Raum, hängen die meist Anfang bis Mitte 20-jährigen ihre, oft originellen, Suchanzeigen für eine Passage aus.
Die meisten sind Einzelkämpfer, aber es gibt auch eine Reihe Pärchen auf der Suche.

Zur Zeit der ARC, wenn hier am meisten Betrieb ist, sind es bis zu 60 Tramper, die ein passendes Boot suchen. Da jetzt bereits die meisten Schiffe für diese Saison drüben sind, ist die Gemeinde der augenblicklich Suchenden nur ca. 20 Personen stark.
Die jungen Leute klappern fast täglich die Stege nach neu angekommenen Schiffen ab und somit werde ich von Anna und Paul angesprochen.
Nach einer kurzen Vorstellung erinnere ich mich, dass mir schon ihr individueller „Koch-Arround-the-World“-Aushang aufgefallen war.

Die zwei wollen aber gar nicht bei uns mit segeln, sondern laden uns zum Essen ein.
Sie berichten mir, dass sie auf einem großen Schiff Unterschlupf gefunden haben und heute Abend kochen wollen und dazu „alle“ Hitchhiker und ein paar Segler einladen, damit man sich besser kennen lernt.
Die beiden sind mir sofort sympathisch, also sage ich spontan zu, dass wir um 20:00 Uhr bei ihnen auftauchen werden.

Somit finden wir uns abends unerwartet mitten zwischen einer super bunten Schar Tramper wieder. Außer uns ist nur noch ein Franzosenpaar mit Säugling von der Segler-Fraktion vertreten. Die drei werden besonders hofiert, da sie innerhalb der nächsten zwei Wochen weiter wollen und vor allem die französischen Landsleute sich eine Chance ausrechnen von ihnen mitgenommen zu werden.
Dass wir erst in Monaten weiter fahren, spricht sich schnell rum und somit können wir unbefangen plaudern.

Anna und Paul kochen eine vegetarische, indonesische Bananen-Reis-Pfanne mit Erdnüssen und ist total lecker. Da es zu wenig Teller gibt, wird in Etappen gegessen und Pärchen müssen sich einen Teller teilen. Zum Nachtisch macht Anna in Weißwein karamellisierte Birnen und zu trinken gibt es alles das, was die Gäste mitbringen.
Das Segelboot auf dem sich die ca. 20 Menschen tummeln, ist ein Chaterboot, welches hier wegen einer Reparatur festliegt und wird von einem jungen Bayern, selbst erst knapp 30, als Skipper betreut. Er hat Anna und Paul eine Koje zur Verfügung gestellt, damit sie nicht mehr in besetzten Häusern übernachten müssen (wie gut, dass der Eigner nichts von seinem Glück weiß).

Die meisten der Anhalter schlafen in besetzen Häusern hier in Las Palmas.
Die Mischung der Tramper könnte nicht bunter sein, Spanier, ein Argentinier, US-Amerikaner, Franzosen und fast alle haben eine coole Geschichte zu erzählen.

Anna und Paul haben nach dem Studium (Politik) ihre Reise im Iran begonnen und sind über die Türkei bis nach Spanien getrampt und dann, vor vier Wochen, hier gelandet. Sie geben sich noch Zeit bis Sonntag, dann brechen sie ihre Hitchhiker-Aktion ab und werden vom spanischen Festland aus nach Mexico fliegen. Aber mit einer Reise nach Brasilien hätten sie auch kein Problem.
Aurora, Französin, will nach Kanada, da sie dort ein work-and-travel-Visum hat.
Manchmal klopfen verrückte Jungs sogar mit Hausratte auf der Schulter bei den Seglern an und selbst solche Exoten finden das passende Schiff, wenn auf der anderen Seite ebenfalls ein Rattenliebhaber steht. Wie man uns berichtete ist die allgemeine Erfolgsquote sehr hoch und die Wartezeit selten länger als 4 Wochen. Große Schiffe nehmen auch mal ein Dreierteam auf Schlag mit.
Meistens „müssen“ die Tramper dann sauber machen, Kinder an Bord bespaßen oder kochen. Zum Segeln kann man die wenigsten gebrauchen, da fast keiner der Anhalter Segelerfahrung hat. Aber man erhält Sprachen- oder Gitarrenunterricht.

Aus Rücksicht zu den benachbarten Booten, ziehen wir alle um kurz vor Mitternacht noch an den Strand, denn es werden die Gitarren und Trommeln bearbeitet und Paul holt seine Trompete raus mit der er in Teheran 20 EUR in der Stunde als Straßenmusiker verdient hat.

Wir verabschieden uns um kurz nach 2:00 von dem sympathischen Haufen, ziehen mit dem Kopf voller toller Geschichten auf unser Schiff zurück und sind begeistert von dem Mut, den diese Youngsters haben.