Regenzeit

Sa., 07.Nov.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2351, 21.218 sm von HH

Die Regenzeit hat begonnen. Das ist nicht schlimm – es regnet nicht jeden Tag und meistens auch nicht den ganzen Tag. Und irgendwo muss das üppige Grün ja schließlich herkommen. Wenn es regnet, dann regnet es allerdings tropisch anständig in Sturzbächen. Der unangenehme Teil an diesem Regen ist, dass es bei uns rein regnet.
Das macht es schon länger. Daher hatte ich bereits vor zwei Jahren Sika (Dichtungsmasse fürs die Teakdeck-Fugen) aus Deutschland mitbringen wollen. Das Zeug wurde mir zu Unrecht von den Sicherheits-Kontroll-Dödels aus dem Koffer genommen. Achim hatte damals in der Not die schlimmsten Undichtigkeiten mit dem Sika abgedichtet, was wir in Ecuador bekommen konnten. Das hatte nicht die richtige Spezifikation und funktionierte damit leidlich gut (es gibt ungefähr eine Milliarde verschiedene Typen Sika – für jeden Zweck eine andere Sorte. Verwirrend für den Laien, aber der Hersteller denkt sich was dabei, denn die falsche Sorte am falschen Ort eingesetzt, macht die Arbeit nicht leichter und das Ergebnis nicht besser).

Dann, bereits auf Gambier, fing es an in die Eignerkoje zu tropfen. Nichts erzeugt mehr Druck auf einen Skipper tätig zu werden als wenn es ins eigene Bett tropft. Aber was kann er tun ohne Sika? Nichts, keine Chance. Und es waren ja auch nur ein paar Tropfen. Dann kam die Trockenzeit und es wuchs ‚Vergessen‘ über die Sache. Solange bis vor vier Wochen die ersten Regengüsse in Papeete nieder gingen. Tropf, tropf, tropf ins Bett. Pladder, pladder, pladder im Salon: zwei Rinnsale – einer am Fenster und einer direkt an der Maststütze.

Also Ärmel aufgekrempelt und als erstes die Deckenverkleidungen abgebaut. Heijeijei, da steht aber viel Feuchtigkeit. Kein Wunder, wenn man sich die kaputten Fugen an Deck betrachtet. Achim radelt durch ganz Papeete und kauft den Inselbestand an Sika-Tuben auf: fünf Stück! Wollte man es richtig reparieren, bräuchten wir fünf Kartons. Wir haben keine Wahl, wir können nur pfuschen und notreparieren, soweit der Vorrat reicht. Dort wo es verdächtig aussieht, schneidet Achim die alte Fugenmasse raus. Die Teakplanken haben noch eine gute Dicke von fünf bis sieben Millimeter. Allerdings splittert altersbedingt an einigen Stellen das Holz längs der Fugen ab. Ein, zwei Millimeter vielleicht. Oft ist das Holz dort aufgeweicht und muss in jedem Fall entfernt werden. Das macht die Fugen breiter – eine Tube Sika reicht somit für noch weniger Strecke.

Jetzt sind die fünf Tuben leer und die schlimmsten Stellen auf dem Vorschiff und achtern beseitigt. Es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, wann andere Fugen nachfolgen werden. Wir können uns verrenken wie wir wollen, wir bräuchten eine Werft und ein anständiges Deck-Refit, wie es für Neuseeland geplant gewesen wäre.
Achim hat noch fünf Tuben Sika mit einer nicht so geeigneten Spezifikation gekauft. Für eine Schnell-Reparatur in den nächsten Monaten sollte das reichen, falls es uns wieder auf den Kopf tropfen sollte.

An die tiefsten Stellen kommt vor der Fugenmasse noch etwas Epoxi rein vor dem Sika

Vor dem Sika wird abgeklebt – blöd nur dass man hier nur zu breites Klebeband bekommt

Noch hat er Freude

Fugen wieder zu – nur noch schleifen

Sika alle – für mehr Fläche hat es nicht gereicht

Stress-Test für die neuen Fugen – alle dicht

Noch ein Segel-Video

So., 01.Nov.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2345, 21.218 sm von HH

Wer erinnert sich noch an die Muppet-Show? An die beiden Alten? Statler und Waldorf, so heißen die beiden. Die Alten saßen immer meckernd auf ihrem Balkon in der Loge und haben kein gutes Haar an den Muppet-Shows gelassen. Sie waren mit jeder Aufführung unzufrieden und trotzdem als Stammgäste immer mit dabei.
Beim Schneiden dieses Films musste ich immerzu an Statler und Waldorf denken: Der Skipper nur am meckern, ich nur am meckern und trotzdem wieder auf See.
Auch so eine Art Hass-Liebe.

Viel Spaß mit dem zweiten Teil von Tahiti nach Gambier nach unserer Unterbrechung in Hao.

 

Unser Ankerplatz auf Mangareva

 

Ein Segelvideo

Do., 29.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2342, 21.218 sm von HH

Ein neues Video ist fertig. Der erste Teil unserer Tour 1.200 Meilen von Tahiti zurück nach Gambier. Ist schon ein wenig her … :shock: , genau genommen zehn Monate.
Wir haben jetzt einen Internet-Vertrag abgeschlossen *** und endlich genug Bandbreite, um  Filme hoch zu laden.

Viel Spaß auf der ersten Etappe: hoch am Wind mit einer unglaublich gut gelaunten Crew, mit Bratnudeln zu Sylvester, mit Tomatensaft und einem Bier bei Flaute; und einem unerbittlichen Tyrannen als Käpt’n. :-)

Spaß bei der Arbeit nach der Ankunft in Hao

 

*** So weit ist es jetzt schon. Der erste Schritt für eine ‚Einbürgerung‘ ist gemacht. Wir haben einen Vertrag gleich über zwölf Monate abgeschlossen. Verrückte Welt, wer hätte das erwartet …

Französisch Polynesien – Corona Update

Mo.,26.Okt.20,Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete,Tag 2339, 21.218 sm von HH

Wie in Europa, so steigen auch vor Ort die Zahlen der positiv Getesteten. Die Zahl in Tahiti ist enorm hoch im internationalen Vergleich – achthundert neue Fälle auf hunderttausend Einwohner. Zum Glück erkrankt kaum jemand ernsthaft und die Verstorbenen-Zahl ist weiterhin recht niedrig (26 Personen). Der Premier von Französisch Polynesien ist infiziert von einem Frankreich-Besuch zurück gekehrt – seine Devise trotzdem: ‚Maske tragen, Abstand halten – wir werden mit dem Virus leben müssen‘.

Da scheint Frankreich als Geldgeber für diesen kleinen Inselstaat nicht mitspielen zu wollen. Plötzlich wird auf einer Pressekonferenz verkündet, dass auf Tahiti und Moorea ab Samstag die neuen französischen Regeln gelten sollen: Ausgangssperre von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr morgens. Protest macht sich laut! „Wie sollen wir zur Arbeit kommen und die Kinder zur Schule bringen? Auf unseren Inseln fängt der Tag bereits um vier Uhr an. Das sind Regeln für die ‚Metropole‘, nicht für uns.“
Wer früh arbeiten muss, kann sich ein Formular mit einer Ausnahmegenehmigung ausdrucken. „Es hat nicht jeder das Geld für 36.000 Kopien“, schimpft ein Kommentar. Der Protest hat Erfolg. Die Ausgangssperre wird von sechs auf vier Uhr morgens zurück benommen. Die Zufriedenheit darüber hält sich mit Gemecker in etwa die Waage. Es gibt viele Menschen, die machen sich Sorgen, um Restaurants, Fitness-Studios und ähnliche Betriebe. Sie glauben, dass die Ausgangssperre nur die Zahl an Verkehrsunfällen senken wird, aber nicht das Virus stoppen kann. Andere schreiben „die Touristen sind Schuld – alle Grenzen dicht“ oder „schließt die Schulen bis es vorbei ist“. Identische Kommentare wie in Deutschland. Der Glaube, dass es irgendwann ein ‚vorbei‘ geben wird, hält sich überall hartnäckig. Neuseeland glaubt das auch noch immer. Chancenlos kämpfen sie mit allen Mitteln gegen den unsichtbaren Feind. Aber täglich poppt die Meldung über mindestens einen Infizierten hoch. Mal aus dem Sicherheits-Trakt der Quarantäne-Zone, mal aber auch aus irgendeiner Gemeinde.

Im Augenblick sind wir nicht betroffen von den neuen Regeln. Nach neun Uhr abends sind Oma und Opa Atanga nicht mehr auf der Straße. Was noch kommen wird, weiß niemand. Ein Insel-Reise-Verbot scheint nicht angedacht zu sein. Gerüchte besagen jedoch, dass die Schulschlaf-Säle der Internate geräumt werden (sollen). Wir fühlen uns im Positiv-Getestete-Hotspot von Tahiti nach wie vor nicht in Gefahr. Wir halten Abstand wo es geht (und tragen Maske, die aber nur weil wir müssen) – das sollte uns genug schützen. So unsere Meinung.

Wir nutzen die Zeit für Boots-Projekte (jaaa, es gibt sie noch immer … ) oder machen Spaziergänge in die Schluchten von Papeete. Dabei freut uns besonders, dass wir als Touristen nicht komisch angesehen werden. Wenn wir durch die Wohngebiete kommen, werden wir freundlich gegrüßt und man hilft uns bei dem richtigen Weg wie eh und je.
Achim hat sich Freitag einen zu Implantat-Zahnarzt-Termin angemeldet. Mit Nachsorge werden wir also noch etwas Zeit hier verbringen. Vielleicht nicht das Schlechteste. Wer weiß, was der Corona-Wahnsinn noch an Entscheidungen mit sich bringen wird.

Im kleinen Hafen von Papeete liegen Industrie- und Yachthafen eng beieinander – über den Wohnvierteln hat man eine phantastische Aussicht

Lei – Blumenkränze

Mi., 21.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2334, 21.218 sm von HH

Kein Markttag in Papeete vergeht ohne Verkaufsstände für Blumenkränze. Die Lei haben in der polynesischen Kultur viele Bedeutungen, sie können ‚Liebe‘, ‚Danke‘, ‚Herzlich Willkommen‘ oder auch ‚Auf Wiedersehen‘ bedeuten. Das hat man sich prima ausgedacht, denn so kann ein Lei praktisch zu jedem Anlass eingesetzt werden.

Bekannt gemacht in der Welt wurden die Lei durch die ersten Gäste auf Kreuzfahrtschiffen, die vor knapp hundert Jahren Hawaii anliefen. Jeder Besucher bekam zur Begrüßung einen Blumenkranz umgehängt und war begeistert von so viel Gastfreundschaft.
Bereits James Cook bekam 1778 einen Lei als er als erster Europäer Hawaii betrat. Heute bekommen nur noch diejenigen Pauschal-Touristen einen Lei, die beim richtigen Anbieter gebucht haben.

In Französisch Polynesien wird die Tradition der Lei noch kräftig gelebt. Auf Gambier zum Festival im letzten Jahr bekamen die Tänzer und Sänger der Nachbaratolle Blumenkränze bis zu den Ohren hoch umgehängt. Der Bürgermeister von Hao konnte am Nationalfeiertag seinen Kopf nicht mehr bewegen – so dick waren seine Lei.

Blumenkranz-Mädchen in Gambier bei der Begrüßung von Gästen

ein gewaltig dicker Lei aus Minze und Blüten

Der Bürgermeister von Hao mit Begleiterin am Nationalfeiertag – bis zu den Ohren mit Lei beladen

In Papeete stehen am Markt etliche Händler und Blumenkranz-Binderinnen mit ihren Verkaufsständen. Aus großen Säcken heraus werden Blüten zu Blumenkränzen oder Kopfschmuck (das nennt sich auch Lei, da wird kein Unterschied gemacht) aufgefädelt und geflochten. Früher wurde die Rippe eines Palmenblattes als Nadel genutzt, heute funktioniert das natürlich moderner. Bis zu tausend Blüten können in einem Kranz verarbeitet werden – ein Lei für die besonderen Anlässe.

Lei-Knüpferin am Sonntag in Papeete

Blütenmeer

Lei im Alltag: Eine Frau bei der Grabpflege auf Moorea

Muschel-Lei als Grabsteinschmuck

Ein Lei kann auch aus Muscheln, Steinen, Federn oder Farnblättern bestehen.

Lei dürfen von jedem getragen werden, zu jedem Anlass und Tageszeit. Da macht man sich auch als Tourist nicht lächerlich, wenn man mit einem Blütenkranz auf dem Kopf durch Papeete wandelt. Ein selbstverständlicher Anblick. Ein offener Lei wird von Menschen getragen, die noch etwas lernen möchten. Das Wissen kann aus beiden Enden der Blumenkette heraus fließen, so sagt man. Ein geschlossener Lei symbolisiert eine Umarmung. Dementsprechend gilt es als unhöflich einen Lei abzulegen, solange der Schenkende noch anwesend ist. Ein Lei darf auch nicht in der Mülltonne landen. Er wird in die Natur gehängt, an einen Baum oder Zaun. Durch das Aufschneiden des Bandes kann man die Blüten auch wieder in die Freiheit entlassen.

Alles Leben stammt aus dem Meer und geht auch wieder dorthin zurück, so sagt der alte Glaube der Polynesier. Ein Lei ins Wasser geworfen, wird vom Ozean zu den geliebten Ahnen getragen. Ein Lei, wieder ans Ufer zurück gespült, wurde von den Vorfahren empfangen und als Zeichen der Liebe zurück geschickt.

Da Lei auch ‚Auf Wiedersehen‘ bedeuten kann, werfen Achim und ich am Tag der Seebestattung von Gert zwei Lei ins Wasser. Direkt an der Hafeneinfahrt von Papeete mit Blick auf Moorea, wahrscheinlich einer der schönsten Insel dieser Welt. Die beiden Kränze treiben noch eine Weile dicht am Ufer entlang, bilden dann für einen Moment eine 80 (das Alter meines Vaters), um dann langsam in der Dämmerung zu verschwinden. Sie werden ihren Weg zum Empfänger finden, denke ich, auch wenn der in diesem Fall etwas weiter ist.

Wir wünschen Dir den ewigen Horizont.

Zwei Lei für Gert