Muschelzucht und alte Leprastation

Sa.,26.Aug.23, Fiji/Makogai/Dalice, Tag 3374, 26.483 sm von HH

Statt mit einer ruppigen Überfahrt werden wir mit prima Bedingungen belohnt. Vier Windstärken, kaum Welle. Ein Kreuzschlag wird fällig, da wir nicht direkt Makogai anlegen können, sondern erst mit einem reinen Südkurs ein langgezogenes Riff umschippern müssen. Aber wenn es läuft … der Kreuzschlag fällt kurz nur aus. Bereits nach einer halben Stunde dreht der Wind zu unseren Gunsten weiter auf Ost. Direkter Kurs nach Magokai jetzt möglich. Sehr schön.

Im Morgengrauen besuchen uns ein paar Delphine. Um 7:30 Uhr erreichen wir den Pass. Mitten in der Einfahrt erkennen wir einen Blas. Gleich darauf noch einen. Und wieder. Unsere Konzentration gehört dem Pass. Als wir durch sind, sind die Wale noch immer da. Ein großes Tier zeigt seinen Rücken. Ein Baby ebenfalls. Die Mutter winkt mit ihrer langen Flosse. Schlägt nach Buckelwal-Manier damit mehrmals auf die Wasseroberfläche. Dann zeigt uns ein Wal seine Fluke und haut damit ebenfalls aufs Wasser. Eine tolle Show. Dankeschön für diese freundliche Begrüßung.

Die Bucht vor dem kleinen Ort ist gut geschützt nach Südosten. Es ist viel Wind für die kommenden Tage vorhergesagt, aber heute ist es ruhig. Drei Segelboote liegen bereits vor Anker. Wir gehen an Land und haben ein Bündel Kava dabei fürs Sevusevu.

Wir liegen vor Anker vor diesem hübschen Ort

Kaum landen wir mit dem Dinghy an, steht ein Dorfbewohner bei uns und hilft mit dem Dinghy. Sein Name ist Nika. Er führt uns zu einem Haus auf Stelzen, das nur aus einem fünfzig Quadratmeter großen Raum besteht. Ein Tisch mit Telefon und einem überdimensionalen Drucker sind die einzigen Gegenstände. Ein zweiter Man sitzt am Tisch und telefoniert. Wir dürfen uns in ein Buch eintragen. Für unser mitgebrachtes Kava interessiert sich keiner der Männer. Es wird uns weder abgenommen, noch eines Blickes gewürdigt. Wir zucken die Schultern und legen stumm das Paket neben den Mann am Telefon. Er ignoriert uns.

Daher folgen wir Nika wieder nach draußen. Er lädt uns zu einer Führung seines Dorfes ein. Offensichtlich ist unser Sevusevu anerkannt worden.
Die Regierung unterhält hier in Dalice ein Projekt zur Vermehrung von Riesenmuscheln. Diese wurden durch Überfischung stark dezimiert. 2016 hat Zyklon Winston die Anlage fast vollständig zerstört, 2019 wurde das Programm wieder aufgenommen. Aber der Betrieb sieht noch immer reichlich zerfleddert und verwahrlost aus. Nur ein Bruchteil der Zuchtbecken ist mit kleinen Riesenmuscheln bewohnt. Die Anzahl der Tiere ist überschaubar. Gazebahnen, die zur Beschattung dienen, hängen herunter. Niemand kümmert sich darum. Nika ist für Hausmeister-Tätigkeiten zuständig. Über die Muscheln weiß er nicht allzu viel: „Andere Abteilung! Der Chef ist gerade nicht da.“

Die Muschel-Station wird vom Fischerei Ministerium finanziert

 

Noch winzig kleine Riesenmuscheln in flachen Wasserbecken

Becken in Betrieb – mit einer überschaubaren Menge an Muscheln . Meerwasser wird in die Becken gepumpt – aber nur bis um 15 Uhr – dann wird der Dorf-Generator abgestellt

Riesige Riesenmuschel – sie können ein Gewicht von 400 Kilo und eine Länge von 1,4 Meter erreichen

Das Dorf – viel gemähter Rasen von Nica

Es leben vier Arbeiter in dem Dorf. Da Schulferien sind, wohnen im Augenblick auch deren Frauen und Kinder auf dieser Seite der Inseln. Die großen Kinder leben sonst im Schul-Internat auf der Nachbarinsel. Die Kleinen gehen zur Grundschule im Dorf auf der anderen Inselseite.

Bis 1970 diente Makogai als Leprainsel. Die Leprastation wurde 1911 von den Briten gegründet und stand unter Betreuung der katholischen ‚Missionary Sisters oft he Society of Mary‘. Aus allen angrenzenden Inselstaaten wurden die „Aussätzigen“, wie man sie früher nannte, hierher verband: Tonga, Samoa, sogar aus Neuseeland. Bescheiden begann die Belegung mit 40 Patienten und wuchs auf bis zu 700 Erkrankte im Jahr 1950.
Im Jahr 1970 wurde die Leprastation geschlossen und war in sechzig Jahren Unterkunft für viertausend Erkrankte.

Patienten, die nicht im Hospital liegen mussten, wurden im Dorf nach ethnischem Hintergrund verteilt. Allen wurde erlaubt, ihre Traditionen und religiösen Praktiken beizubehalten. Als Teil der Therapie unter eingesperrten Bedingungen durften die Patienten Gemüse anbauen und Handwerkskunst herstellen. Viehhaltung und Fischen war ebenfalls gestattet.
Die Leprastation hatte international den Ruf eines ‚Models von Disziplin und sozialem Frieden‘ im Umgang mit Lepra-Erkrankten. Trotzdem gab es Rassen-Hierarchien. Weiße bekamen größere Portionen, mussten aber auch höhere Gebühren für die Unterbringung bezahlen.
Und die Ruinen eines unschönen Gefängnisses sind Zeugen, dass die gerühmte Disziplin auf der Insel wohl auch schon mal etwas unter Schlendrian gelitten haben muss.

Gefängnis-Ruine mit vier Zellen – heute schaurig-schön überwuchert

Überreste eines alten Kinos – die Überraschung des Tages – wenn wir alles erwartet hätten

Nica am Grab von Schwester Mary Agnes – sie ist 1955 nach Jahren der Pflege von Patienten auf der Insel an Lepra gestorben

Überreste von 1400 Lepra Gräbern – der größte Teil ist inzwischen vom Urwald überwuchert

Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten. In archäologischen Funden wurde ihre Existenz in Indien bereits vor viertausend Jahren nachgewiesen. In der Römerzeit erkannt man das Ansteckungsrisiko von Lepra und erstmals wurden Erkrankte verstoßen. Besonders tückisch ist die lange Inkubationszeit bei Lepra – bis zu 20 Jahre.
Im Umfeld größerer Städte entwickelte sich im 11. Jahrhundert eine eigene Hospizform. In Europa war man im Mittelalter als Erkrankter ‚bürgerlich tot‘. Man musste in der Öffentlichkeit ein Lazaruskleid tragen und eine Warnklapper verwenden, um andere Passanten zu warnen.

1873 wurde der Erreger entdeckt. Vorgeschriebene Meldungen von Erkrankungen ab 1949 wurden obligatorisch. Die Zahl der Registrierten ging über die letzten fünfzig Jahre kontinuierlich zurück. Lepra ist inzwischen mit Antibiotika vollständig heilbar. Heute gibt es noch ungefähr 220.000 Neumeldungen jährlich – hauptsächlich in Indien, Indonesien, Brasilien und im Pazifik. Die WHO hofft, bis zum Jahr 2030 Lepra ausgerottet zu haben.

Übrigens gehören Geschichten, dass man beim Hände schütteln eines Leprakranken plötzlich seine Finger in der eigenen Hand hält zu den Legenden. In Wahrheit sterben bei einer Leprainfektion die Nerven ab, Arterien verstopfen und die Erkrankten verlieren das Gefühl für Hitze, Schmerz und Kälte. Durch das eingeschränkte Gefühl kam es zu Verletzungen, diese führten zu Entzündungen. Mangels Schmerzen blieben diese Wunden häufig unbehandelt und die weiter brandende Infektion führte dann zum Absterben ganzer Gliedmaßen.

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Auf nach Süden

Do.,24.Aug.23, Fiji/Vanua Levu/Savusavu, Tag 3372, 26.426 sm von HH

Das schlechte Wetter  dauert  an. Seit wir in Fiji sind, immer das gleiche Spiel: drei Tage schön, acht Tage Regen. Und von vorne – 3:8. Und wieder 3:8. Etwas dünne Ausbeute an guten Tagen. :roll:

In Savusavu können wir prima unsere Vorräte wieder auffüllen: Diesel, Wasser und Lebensmittel. Eine Wäscherei direkt neben dem Dinghydock ist auch einfach zu erreichen. Überhaupt gefällt uns Savusavu sehr gut. Ein überschaubarer Ort, bunt und quirlig.

Es regnet entweder Bindfäden oder es herrscht Dauerniesel

Die Bevölkerung dürfte dem statistischen Anteil zwischen Melanesiern (65 Prozent) und Indern (rund 30 Prozent)entsprechen. Man wohnt und arbeitet zusammen, aber eine echte Integration der Inder ist (noch) nicht erfolgt.
Die Inder wurden von den Briten als billige Arbeitskräfte ins Land gebracht, die man nach Belieben ausbeuten konnte. Ihr Anteil an der Bevölkerung wuchs auf fast fünfzig Prozent an.
Währenddessen errangen die Melanesier bei den Briten den Status einer „primitiven Gemeinschaft“, die als schützenswert eingestuft wurde. Diese Ungleichbehandlung der alten Kolonialherren verhinderte eine kulturelle Annäherung der Melanesier und Inder.

Als Fiji 1970 in die Unabhängigkeit strebte, waren sich die Anführer der Melanesier und Inder einig, dass sie Rassentrennung hinter sich lassen eine gemeinsame, demokratische Nation bilden könnten. Leider hielt die Wunschvorstellung der Realität nicht stand. Immer wieder kam es in den letzten dreißig Jahren zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Völkern. Militärische Putschversuche eingeschlossen.
Den Indern war es untersagt Land zu besitzen. Sie bauten Handel und Dienstleistungsgewerbe auf. Nach dem alten Motto „Ist der Handel noch so klein, bringt er mehr als Arbeit ein“, mehrten die Inder ihren Wohlstand, während die Melanesier als Bauern arbeiteten. Wer kein Land besitzen darf, wohnt in der Stadt. Und nirgends ist es einfacher an Bildung und Ausbildung zu kommen als in urbanen Gebieten. Bildung gleich Möglichkeiten.

Indische Nähstube

Heute sind Melanesier und Inder vor dem Gesetzt gleich gestellt. Aber die Vergangenheit spiegelt sich noch immer im Alltag wieder. Geschäfte sind in indischer Hand – auf dem Markt sieht man überwiegend melanesische Verkäufer. Im Supermarkt stehen indische Frauen hinter der Kasse – melanesische Frauen packen Ware in die Regale.
Der reale (oder vermeintlich) größere Wohlstand der Inder führt erneut zu Unruhen.

Wir merken davon freilich nichts. Beide Bevölkerungsgruppen sind ausgesprochen freundlich und aufmerksam uns gegenüber. Im Supermarkt habe ich allerdings beobachtet, dass eine Melanesierin eine indische Kassiererin mit einem Knoten in der mitgebrachten Einkauftasche böse schikaniert hat. Sie hat darauf bestanden, ihren Einkauf in die nicht zu öffnende Tasche gepackt zu bekommen.  Am Ende der Auseinandersetzung hat die Kassiererin der Kundin die Tasche vor die Brust geworfen.

Melanesischer Eingang

Indische Deko am Hauseingang

Heute Nachmittag verlassen wir das freundliche Savusavu. Es geht südwärts. Unser Ziel ist eine ehemalige Leprainsel. Wahrscheinlich wieder kein Internet. Die Insel liegt nur sechzig Meilen entfernt. Aber sechzig Meilen bedeuten eine Nachtfahrt. Okay, wir sind bereit (aber ohne große Vorfreude darauf :mrgreen: ) für einen erneuten nächtlichen Rodeo-Ritt.

Der Strand dampft

Savusavu liegt auf der Grenze zweier Kontinentalplatten. Nett sieht daher der Strand bei Ebbe aus. Es dampft aus allen Poren. Findet man die richtige Stelle im Wasser kann man sogar heiß baden.

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Eine unerwartet ruppige Überfahrt

Sa.,12.Aug.23, Fiji/Vanua Balavu/Bavatu, Tag 3360, 26.426 sm von HH

Wir erkunden mit dem Kajak die große Bucht von Batavu. In einer Seitenausbuchtung finden wir versteckt hinter einer Wand aus Mangroven-Wurzeln einen bachförmigen Seitenarm. Das Wasser ist gerade tief genug für das Kajak. Als wir hinter dem Vorhang verschwinden, wird es total ruhig. Kein Windhauch erreicht diese Idylle. Auch kein Sonnenstrahl mehr. Äste und Mangrovenwurzeln bilden einen Tunnel über uns. Die Mangroven-Blätter wispern. Das Wasser ist glasklar. Aufgeregt taucht ein kleiner Rochen vor uns weg. Vier kleine Schwarzspitzen-Riffhaie folgen ihm. Wer stört hier in der Abgeschiedenheit unsere Ruhe?, scheinen sie zu sagen. Krebse turnen auf den Ästen herum, die im Wasser liegen. Ein geheimnisvoller Ort.
Tief können wir uns durch das Labyrinth aus Wurzel, Baumstämmen und Ästen fortbewegen. Aber bitte nicht mit dem Kajak irgendwo hängen bleiben. Zurück schwimmen wollte ich zwischen den Mangroven nicht. Ein Nachteil des aufblasbaren Teils. Mit den harten Kajaks konnten wir sorgloser paddeln.

Mangrovenwurzeln versperren den Eingang zum kanalartigen Arm

Tief können wir in den Mangroven-Arm paddeln

Atanga ganz alleine in der großen Bucht von Batavu

Nach drei wunderschönen Tagen kommt erneut schlechtes Wetter. Wir beschließen Vanua Balavu zu verlassen. Wollen Richtung Nord-Westen zurück. Drei Wochen ohne einen Laden haben Löcher in die Vorräte gerissen. Bevor es in die Zivilisation zurück geht, wollen wir aber noch in Taveuni stoppen. Eine Insel mit Touristenresorts. Schöne Schnorchelgründe und berühmte Riffe zum Tauchen locken dorthin.

Wir gehen am Nachmittag Anker auf. Die Strecke nach Taveuni ist mit 80 Meilen zu weit für einen Tagestörn. Die Vorhersage für die Nacht lautet 15 Knoten aus Süd-Ost. Wir haben Kaffee-Segeln vor dem geistigen Auge.
Und tatsächlich, es fängt gut an. Der Himmel ist zwar grau und tiefe Wolken hängen uns im Nacken, aber es regnet nicht. Bei der engen Passausfahrt sehen wir den Blas von einer Gruppe Wale. Kurz zeigen sich die Rückenflossen. Es ist Buckelwal-Saison in Fiji. Die beeindruckenden Tiere haben vor Wochen das kalte Wasser der Antarktis verlassen, gebären hier ihre Kälber, andere Paare zeugen neue. Der Pass erfordert unsere Aufmerksamkeit. Als wir durch sind, ist die Truppe leider schon verschwunden.
Wir setzen Segel und müssen noch ein paar Untiefen und Inseln umschiffen.
Pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir im freien Gewässer und können Kurs nehmen. Unser Windmesser ist noch immer tot, wir schätzen, dass die versprochenen 15 Knoten Wind stimmen können.  Die letzten Tage gab es kaum Wind, eine alte Dünung ist nicht vorhanden. Ah, tatsächlich Kaffesegeln! Aber wir sind viel zu schnell. Mit sechs ein halb Knoten preschen wir vorwärts. Mit dem Tempo kommen wir bereits im Dunkeln in Taveuni an. Das wollen wir nicht, also reffen wir deutlich die Segel und kastrieren unseren guten Lauf. Schade eigentlich.

Nur sechzig Minuten später sind wir dankbar, die Reffs noch im letzen Tageslicht eingebunden zu haben. Es pustet ganz ordentlich. Der scheinbare Wind kommt jetzt etwas vorlicher als halber Wind. Weitere zwei Stunden später gebe ich es auf schlafen zu wollen. Atanga bockt wie ein Wildpferd. Das ist genau das, was man sich für eine Nachtfahrt nach einer Pause wünscht. Der Wind legt noch eine Schippe drauf. Das Handmessgerät mit langem Arm hinter der Sprayhood in den Wind gehalten, zeigt in der Spitze 30 Knoten. Durchschnitt 21 Knoten. Da geht sie hin unsere Kaffefahrt. Inzwischen fliegt die Gischt schon übers Cockpit. Wir knallen ganz ordentlich in die Wellen. An Schlaf ist nicht zu denken. Abwechselnd dämmern wir uns dem Ziel entgegen.

Als es hell wird, können wir Taveuni schon deutlich erkennen. Nur noch um die Kurve, acht Meilen weiter liegt unser erklärtes Ziel. Der Wind hat die letzten zwei Stunden etwas nachgelassen, dafür setzt jetzt Nieselregen ein.
Plötzlich haben wir wieder Internetempfang und holen uns einen Wetterbericht: starke Regenfälle und viel Wind die nächsten Tage. Wir versammeln uns an Deck für die Wende, um unseren neuen Ankerplatz anzusteuern. „Wollen wir uns das wirklich antun“? , fragt Achim mich, „bei Mistwetter vor einem Hotelresort zu liegen? Tauchen gehen wir dann sowieso nicht.“
Ich bin schnell überzeugt, dass es bessere Optionen gibt. Wir lassen die Wende sein und legen Kurs Savusavu an. Dorthin, wo wir vor drei Wochen gestartet sind. Der Ort ist nett und Regenwetter ist dort besser zu ertragen. Die fünfunddreißig Meilen bis dahin sind easy bei Tageslicht zu erreichen. Um 17:00 Uhr hängen wir wieder an unserer alten Mooring. Es pladdert wie aus Eimern – alles richtig gemacht.

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Kannibalen-Witze und Tauschgeschäfte

Do.,10.Aug.23, Fiji/Vanua Balavu/Bavatu, Tag 3358, 26.315 sm von HH

Als der Starkwind und der Regen vorbei sind, verlassen alle Mitsegler die Bucht. Sogar der Eigner mit seiner Motoryacht zieht ab. Er bringt die Angelgäste von der Insel. Wir bleiben, haben die große Bucht jetzt ganz für uns. Bislang war das Wetter schlecht und wir wollen die Farm und ihre Aussichtspunkte auch bei Sonne sehen. Wir werden belohnt. Ein Trampelpfad führt zur sensationellen Aussicht auf die Bay of Ilands.

Blick auf die Bay of Islands – der Hauptteil des Labyrinths ist von hier leider nicht einsehbar

Dort wo der Segler liegt (rechts) war noch etwas weiter rechts unser Ankerplatz – gerne hätten wir Drohnen-Fotos gemacht – die hat aber einen Softwarefehler – der ist nur mit Internet behebbar. Schade.

Zauberhafte Inselchen

Farbenfeuerwerk

Es hat sich geloht auf gutes Wetter zu warten

Ein anderer runter zu einem kleinen Strand. Bei Ebbe kann man durch die Mangroven stapfen. Ein seltenes Vergnügen. Meistens ist es in den Mangroven zu matschig, aber hier strecken die Wurzeln im feinen Sandstrand fest.

Der Strand ist herrlich an den Rändern bewachsen

Ein Idyll im Idyll – wir fühlen uns wie Robinson

Durch die Mangroven kämpfen wir uns einen Strandabschnitt weiter

Wir ziehen immer weiter unsere Kreise. Es gefällt uns auf dem Plateau. Ein Bilderbuch aus Bio-Bauernhof, Selbstversorger in Reinkultur und friedlichem Dorfleben. Heile Welt. Und hübsch anzusehen noch dazu. Das Weideland, gespickt mit Vulkanfelsen, eingerahmt von undurchdringlichem Wald. Naturbelassen.
Das Viehzeug grast. Die Sonne scheint. Eisvögel jagen nach kleinen Eidechsen mit blauem Schwanz. Fischreiher mühen sich auch nicht mehr in der Bucht mit Fischen ab. Die Wiese ist reich gedeckt an Echsen. Leicht zu erwischen, wie es scheint. Idylle. Friede, Freude, Eierkuchen.

Es wimmelt vor Eisvögeln – jeden Tag können wir sie bei der Echsenjagd beobachten

Dieses Monster hat einen Hinterleib halb so groß wie ein Tischtennisball

Begehbare Wildnis

Als wir auf dem Rückweg am Dorf vorbei kommen, treffen wir Maria. „Wollt ihr einen Kürbis haben?“ Gerne! Unsere frischen Vorräte werden durch Kahlfrass deutlich dezimiert. „Was möchtest du dafür haben?“ Maria hält Rücksprache mit einer anderen Frau. „Gebt was ihr wollt.“ Wir fragen, ob sie mit einem Glas Honig einverstanden wäre. Sie nickt freudig. Und wir freuen uns ebenfalls, wir haben nämlich ein Honig-Problem an Bord. Viel zu viel vom berühmten Manuka-Honig aus Neuseeland lagert auf Atanga. Er war als Mitbring für die lieben Freunde und Familie in Deutschland gedacht. Jetzt fällt der Flug flach und ihn nach Australien zu bringen, dürfte Stockhiebe nach sich ziehen. Zwei Gläser sind schon auf andere Segelboote gewandert, eines wird gerade verfrühstückt.  Und eins geht nun im Tausch gegen einen Kürbis.

Am nächsten Tag treffen wir auf Ratu. Er arbeitet am Gemüsebeet, was nahe der Herrenhäuser angelegt ist. Ratu erzählt uns, dass alle Bewohner des Dorfes von der Insel stammen. Allerdings aus unterschiedlichen Orten. „Bist du zufrieden hier?“, frage ich. „Ja durchaus. Aber wir sind mit vier Arbeitern zu wenige Männer für das riesige Gelände. Wir müssten zehn sein, um alles zu schaffen. Und die Bezahlung könnte auch besser sein. Mit dem Boot fahren wir manchmal in unsere Dörfer und an Weihnachten.“

Früher gab es mal einen Fußweg, der die Nordspitze der Insel mit den Dörfern verbunden hat. Er bedauert, dass dieser Weg verloren gegangen ist. Man müsste ihn reaktivieren, findet er. Es wäre viel bequemer als alles mit dem kleinen Boot( was unten in der Bucht liegt und der Gemeinschaft zu gehören scheint) hierher zu transportieren,
Die Rindviecher werden auch mit dem Boot befördert. Immer wenn die Herde einhundert Tiere erreicht hat, wird abverkauft. Kälber zum weiter Züchten oder Großziehen, bekommt man für 200 Dolla. Ein Tier zum Schlachten kostet 400 Dollar. Die Schlachttiere werden vor Ort erschossen. Die Kälber lebend transportiert. Man mag sich nicht vorstellen, wie das im offenen Bötchen mit Außenborder aussehen mag. Ratu gibt uns eine Vorstellung von der Idee: „Ich möchte eines der Pferde haben. Sie sind nutzlos für den Chef. Er verschenkt sie. Dann binde ich dem Pferd die Beine zusammen und wir hieven es in das Boot“. :shock:
„Wollt ihr zwei Papayas haben und Pok Choi? Und habt ihr vielleicht eine alte Leine für mich? Dann kann ich ein Pferd fangen.“ Achim sagt, dass er bestimmt an Bord etwas Passendes findet. Der Deal ist beschlossen. Katu ernet für uns die Papaya und den Pok Choi. Zwei Trinknüsse gibt es noch oben drauf.

„Ihr könntet die unbeliebten Pferde auch essen“, sagt Achim. „In Deutschland ist das zwar nicht sehr verbreitet, wird aber durchaus gemacht.“ Ratu guckt und grinst: „Unsere Vorfahren haben alles gegessen. Manchmal sogar sich gegenseitig.“ Er will sich ausschütten vor Lachen.

Wir hatten schon davon gelesen, dass sich die Melanesier in Fiji über ihre eigene Vergangenheit lustig machen. Über 2500 Jahre wurde Kannibalismus in Fiji betrieben. Die Horrorgeschichten, die die christlichen Missionare in die alte Welt schickten, über Schlacht-Buffets mit hunderten von menschlichen Opfern, konnten nicht als wahr bestätigt werden. Es kam heraus, dass die Missionare gar keine Augenzeugen gewesen sind.
Unbestritten ist allerdings, dass die Fidschianer als höchste Form der Rache an Rivalen, diese verspeisten. Der letzte bekannte Vorfall ereignete sich 1860 als der Reverent Thomas Baker gefressen wurde. Die Nachfahren des Kannibalen-Stamms haben sich bei den Nachfahren von Baker offiziell entschuldigt.
Die Schuld von damals ist getilgt und seitdem sollen Kannibalen-Witze unter den Melanesiern groß im Umlauf sein.

Bavatu Harbour

Der Blick in die – nun leere Bucht – wir sind allein

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Bavatu Harbour

So.,06.Aug.23, Fiji/Vanua Balavu/Bavatu, Tag 3354, 26.315 sm von HH

Je näher die Starkwindwarnung rückt, desto mehr Segelboote treffen in Bavatu Harbour ein. Am Unwettertag liegen elf Boote in der Bucht. Platz ist genug, der Naturhafen ist einen Kilometer lang und mindestens fünfhundert Meter breit. Aber die Bucht ist tief – bis 24 Meter – und an den flachen Ufern lauern Felsen und Korallenköpfe darauf, dass sich die Ankerkette vertüttelt. Windwirbel innerhalb der Bucht sorgen für Verwirrung und unnormales Ankerverhalten. Atanga liegt mit dem Bug noch Osten, unser Nachbarboot mit dem Bug nach Westen. Drei Stunden später ist es genau anders herum. Zum Glück ist Bavatu Harbour so geschützt, dass wir alle vom Starkwind nicht viel merken. Aber es ist weiterhin regnerisch.

Wir gehen trotzdem an Land. An dem kleinen Anleger im Scheitel der Bucht steht ein Gelände fähiges Vehikel. Das gehört einem der Besitzer der angrenzenden Ländereien. Seine Motoryacht liegt direkt daneben. Dadurch, dass die Bucht nicht den Einheimischen gehört, entfällt eine Sevusevu Prozedur. Wir dürfen einfach an Land.

Das einzige Auto auf der Farm – plus Motoryacht

Hinter dem Anleger führt ein von Regen aufgeweichter Weg in die Berge. Oder man nimmt die Treppe. 271 bissige Stufen, wie ein Schild verspricht. Dort oben soll es sogar Internet geben. Am Ende der Treppe sind wir total überrascht. Wir laufen in eine Herde Pferde hinein. Hübsche Tiere, flach im Rist.

Die anstrengende Abkürzung auf das Berg-Plateau – über die Straße ist die Strecke bestimmt einen Kilometer weiter

Beim Eigner unbeliebte Pferde, siefressen nur das Gras und sind unnütz – er würde sie verschenken – aber keiner will sie haben

Eine ehemalige Kokosplantage wurde 2016 von Zyklon Winston komplett zerstört. Heute dient die Fläche als Farmland. Neben den Pferden stoßen wir auf Kühe, Schafe und Schweine. Alle laufen frei herum. Nur das Dorfgelände wird mit einer Mauer vom Viehzeug frei gehalten.

Ein weit verzweigtes Areal mit Wiesen und Gattern verteilt sich auf dem Plateau

Hübsche Schafe

Ein paar Kokospalmen sind noch stehen geblieben – die Nüsse werden nur noch als Schweinefutter genutzt

Das Dorf besteht aus fünf Hütten. Einem Klo-Häuschen und einem Gemeinschaftshaus mit Solarpanelen auf dem Dach und auf einer Veranda hängt der Gemeinschaftsfernseher. Strom gibt es keinen. Die Häuschen haben einen bescheidenen Standard. Ein Raum Hütten mit Betten und einer Kochecke mit Holzöfen.
Die Dorfgemeinschaft besteht aus vier Männern, drei Frauen und einem Kind. Es ist kein gewachsenes Dorf, sondern ist entstanden für die Arbeiter der Plantage. Heute arbeiten die Männer auf der Farm. Halten die Kulturflächen sauber, sorgen für Wasser für das Viehzeug und sammeln die Kokosnüsse als Futter für die Schweine ein.

Das Dorf der Farmarbeiter

Etwas weiter den Hang hinauf stehen die beiden Herrenhäuser der Eigentümer des riesigen Areals. Es sind zwei Geschäftsleute aus Suva. Ihnen gehören zwei Marinas auf den großen Inseln. Die Häuser kann man bereits von unten aus der Bucht heraus sehen. Der riesige Garten wird mit einem Zaun und Gatter ebenfalls vor den Tieren gesichert. Hier mögen wir nicht weiter gehen. Es sieht privat aus.

Der Zugang zu den Herrenhäusern

Als wir das Dorf bei Nieselregen betreten, streichen gerade alle Männer gleichzeitig die Hütten mit blauer Farbe. „Bula!“ Wir plaudern ein wenig mit einem der Männer und fragen nach dem Weg zum Aussichtspunkt auf die Bay of Ilands und ob es tatsächlich einen Internetempfang hier oben gibt. „Ja klar“, lautet die Antwort. „Geht hoch zu den beiden Häusern der Eigentümer. Da ist Empfang.“ Auf unsere erneute Nachfrage, ob es erlaubt sei, wird eifrig genickt.
Wir stapfen also den Berg hinauf zu den ansehnlichen Häusern. Krasser könnte der Unterschied zum Dorf nicht sein. Uns schießt der Gedanke von Feudalherren auf der Burg und Untergebenen im Tal in den Kopf.

Das Haus steht zur Zeit leer

Das zweite Haus der Farmbesitzer

Zurzeit ist nur ein Eigentümer anwesend. Das andere Haus steht leer und verrammelt da. Wir stoßen auf den Hausherrn auf der Veranda des verschlossenen Hauses. Er surft mit seinem Handy im Internet. Wir halten ein kurzes Schwätzchen mit ihm. Er lebt bereits in vierter Generation in Fiji. Sein Sohn habe gerade von ein paar Freunden Besuch und die sind ganz angelverrückt. Und sogar erfolgreich beim Fischen, aber den meisten Fisch würden sie an die Mitarbeitern im Dorf verschenken.

Wir freuen uns ebenfalls auf Internet, aber scheinbat haben wir vom falschen Anbieter eine SIM-Karte gekauft. Empfang auf dem Berg nur für Digicel-Kunden. So ein Pech.

Die Fotos der schönen Bay of Islands vom letzten Bericht habe ich auch nachgepflegt. :-)

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