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Der Chimborazo

Sa.,14.Jul.18, Ecuador/Riobamba, Tag 1505, 13.337 sm von HH

Wieder ein Tipp aus unserem Wanderführer: ‚Fahr bis Pulingui – auf 3.850 Meter mit schönem Blick auf den Chimborazo‘. Der Wanderführer gibt noch mit auf den Weg, dass man den Bus nach Guaranda nehmen muss, der 8x täglich fahren soll.

Den Chimborazo wollen wir sehen. Als erloschener Vulkan ist er schließlich der höchste Berg der Welt mit 6.310 Metern. Schöne Grüße an dieser Stelle an den Mount Everest. Das war wohl nix, du Zwerg. Der Chimborazo ist um 2000 Meter höher vom Erdmittelpunkt aus betrachtet als der Everest. Auf Grund ihrer Rotation ist die Erde keine Kugel und der Chimborazo steht ausgerechnet an der dicksten Stelle der Erde, dem Äquator (fast zumindest).
Der Gletscher des Chimborazo ist leider bereits um 70% geschrumpft. Zum einen wegen der Erderwärmung. Zum anderen hat sein Asche spuckender Nachbar Tungurahua Schuld daran, da sich die Asche auf dem Gletscher ablagert.

Wir stiefeln diesmal also zum großen Busbahnhof von Riobamba. Am Schalter mit den Bussen nach Guaranda kennt man Pulingui zunächst nicht. Die Schalter-Mietze fragt ihren Kollegen, wir am Nachbarschalter und dann ‚ah, die Erleuchtung‘, der Bus fährt tatsächlich über Pulingui. Wir kaufen zwei Tickets.

Die Ernüchterung beim Ticket-Kontroll-Jungen am Bus als wir ihn bitten uns an der richtigen Stelle zum Aussteigen Bescheid zu sagen: Pulingui kennt er nicht. Nie gehört, no, nix, nada.
Macht nichts, nett und hilfbereit, wie die Südamerikaner sind, rennt er los und fragt irgend jemanden und kommt Freude strahlend zurück. Si, wir sind richtig und er sagt Bescheid. Wir steigen in den Bus.

Nach 45 Minuten ruft der Ticket-Junge uns an: „Raus, raus hier!“ Wir steigen aus. An einer gottverlassenen Landstraße stehen linker Hand eine Handvoll Häuser. Ob das Pulingui ist? Wir wissen es nicht. Ein Ortsschild gibt es schon mal nicht.
Wir nähern uns dem Minidorf. Traditionell mit Schilf gedeckte Häuser, ein paar Hühner und ein Herzlich-Willkommen-Schild auf deutsch, mehr ist nicht zu sehen. Aber wir haben volle Sicht auf den Chimborazo. Wolkenfrei steht er da vor uns. Imposantes Teil.

Willkommen im Nirgendwo

Willkommen im Nirgendwo

Wohnen auf 4000 Meter ohne Heizung - unvorstellbar

Wohnen auf 4000 Meter ohne Heizung – unvorstellbar

Chimborazo - der höchste Berg der Welt  ;-)

Chimborazo – der höchste Berg der Welt ;-)

Die Schneekuppe vom Chimborazo

Die Schneekuppe vom Chimborazo

Ein staubiger Erdweg führt näher an den Berg heran. Die Steigung des Weges ist mäßig, so dass wir auf knapp 4.000 Meter tatsächlich ohne Sauerstoffzelt voran kommen. Es ist arschkalt und extrem windig. Windstärke sieben, mindestens, in Boen verliert man das Gleichgewicht, wenn man nicht aufpasst. Der Wind beißt ins Gesicht und nur weil wir uns schnaufend vorwärts bewegen, kommen wir mit unseren Klamotten klar. Achim hat eine lange Unterhose im Rucksack. Das möchte ich sehen, wie er bei der Kälte die Büx auszieht, um den Longjonni unterzuziehen. :mrgreen:

bitterkalt

bitterkalt

 

Traumwetter

Traumwetter

Die Schneegrenze liegt bei 4.800 Metern, die Baumgrenze haben wir bereits bei 3.500 Metern überschritten. Obwohl das in diesem Teil der Anden keine Rolle spielt. Die Berge sind komplett Baum frei. Ecuador hat ganze Arbeit geleistet und alle Wälder abgeholzt. Auf jedem Quadratmeter wird Landwirtschaft betrieben.

Es ist staubig und die Luft unglaublich trocken. Unsere Handflächen sind wie Pergament und wir können nicht mal ein Taschentuch richtig greifen. Ohne Labello platzen die Lippen auf wie ein gutes Krustenbrot.
Die trockene Luft zieht mir die letzte Feuchtigkeit aus dem Gesicht. Ich kann förmlich die Falten spüren, wie sie sich bilden. Die knitterigen Mütterchen von gestern waren wahrscheinlich auch noch zehn Jahre jünger als ihre Optik sie wirken lässt.

Aber es ist traumhaft schön hier oben. Nicht einen Tag möchten wir hier leben, aber die raue Landschaft hat auch ihre zarten Seiten. Hochalpin finden sich zwischen dem Gras unendlich viele Blüten, die sich stengellos zwischen die Gräser ducken. Im Windschatten ist es so warm, dass wir beim Picknick unsere Mütze und Windbrecher für einen Moment vergessen können, aber wehe, der eklige Wind trifft einen.

Die Landschaft wirkt eintönig vom Bewuchs, aber zwischen dem Gras wohnen die Schätzchen

Die Landschaft wirkt öde, aber zwischen dem Gras wohnen die Schätzchen

Eine wunderschöne Szenerie

Eine wunderschöne Szenerie

 

Unbekannte blassblaue Schönheiten

Unbekannte blassblaue Schönheiten

Krokusse ?

Krokusse (?) wer weiß es?

Wir bleiben bei unseren Streifzügen am Füsse des Chimborazo in der Nähe der Landstraße, denn wir erwarten einen Bus in umgekehrte Richtung zurück. Der sensationelle Blick auf den wolkenfreien Vulkan lockt eine Hand voll Radfahrer und ein Pärchen aus Quito in diese einsame Gegend. Wir bekommen mehrfach Angebote zum Mitfahren, leider in die falsche Richtung.
Falls kein Bus vorbei kommt, könnten wir noch immer einen Wagen mit der Ladefläche voll Kohlköpfe stoppen. Tatsächlich kommt dann ein Bus und natürlich hält er auf Handzeichen. Dafür schließt man Südamerika noch fester ins Herz.

Unser erstes Lama

Unser erstes Lama

Reisen unterhalb der Holzklasse

Fr.,13.Jul.18, Ecuador/Riobamba, Tag 1504, 13.337 sm von HH

„Wollen wir es riskieren?“, ich bin froh, dass Achim zuerst die Frage stellt. „Klar, was kann schon schief gehen?“, finde ich.
Wir stehen am kleinen Busbahnhof in Riobamba von wo aus die umliegenden Andendörfer angefahren werden. Um 9:00 Uhr soll, laut Reiseführer, der einzige Bus am Tag nach Tzalaron abfahren. Ein Bus der richtigen Gesellschaft steht schon abfahrbereit. Ob er nach Tzalaron fährt, kann der Fahrer nicht beantworten, er kennt den Ort nicht einmal.
Ein weiterer Busfahrer schüttelt ebenso sein Haupt: „Nee, der Bus fährt bereits um 7:00 Uhr.“ Immerhin kennt er Tzalaron.

Wir warten, ist ja schließlich noch nicht neun. Ein weiterer Bus der Tzalaron-Linie fährt vor. Der Fahrer sagt, der richtige Bus sei weg, aber er fährt bis Punin und auf halber Strecke könne er uns am Abzweiger nach Tzalaron raus lassen. Dort kämen ständig ‚Camionetas‘ (kleine Lastwagen) vorbei, die würden uns schon mitnehmen.
„Wollen wir es riskieren?“ „Klar, was kann schon schief gehen?“, antworte ich und springe in den Bus.

Nach 45 Minuten stehen wir dann an der besagten Abzweigung. Mitten in der Pampa und etwas ratlos. Wir stehen auf dreitausend Meter, es ist wolkig, windig und kalt. Und nun? Lange brauchen wir nicht warten, da kommt ein Camioneta um die Ecke. Auf unser Handzeichen hält er an und deutet nach hinten. Na, dann. Als ich mir den Schal enger um die Nase wickel, freue ich mich erneut, dass Achim zuerst die Frage gestellt hat. :lol:

Nach fünf Minuten steigt ein Mütterchen zu, verzieht sich in die äußertse Ecke der Ladefläche und zieht die Decke über den Kopf. Ein Haufen Stroh auf der Ladefläche und Ketten an der Seite sind ein klares Indiz, der nächste Passagier könnte auch vierbeinig sein.

Unsere erste Mitfahrerin verzieht sich in die Ecke - ohne Socken

Unsere erste Mitfahrerin verzieht sich in die Ecke – ohne Socken

Laufend halten wir an und eine Indigina nach der anderen klettert auf die Ladefläche. Bei einigen muss der Fahrer helfen und greift den Damen beherzt unter die Arme. Die kichern und freuen sich über die Hilfe und kauern sich dann neben uns. Ihr Klamotten erweisen sich als äußerst praktisch, weil absolut schmutzresistent, während meine Hose aussieht wie aus dem letzten Krieg. Einige der Mädels haben Interesse an uns und fragen woher wir kommen. Anderen sind wir völlig egal.

Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?

Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?

Schattige Luxusfahrt

Schattige Luxusfahrt

Nette Mitfahrerin, die sich amüsiert, dass wir so weit aus DE kommen

Nette Mitfahrerin, die sich amüsiert, dass wir so weit aus DE kommen

Nach dreißig Minuten und zu Eiszapfen gefroren, erreichen wir Tzalaron auf 3.300 Höhenmetern. Dort ist heute Markt. Einer der letzten seiner Art, preist der Reiseführer ihn an: einen originaleren Andenmarkt findet man in ganz Ecuador nicht mehr.

Schafe, Schweine und Kühe werden getrennt gehandelt

Schafe, Schweine und Kühe werden getrennt gehandelt

Außer uns sind tatsächlich keine weiteren Ausländer vor Ort.
Die Reaktion auf uns ist unterschiedlich: totale Ignoranz, freundliches Grüßen oder die Gesprächsaufnahme: woher kommt ihr, wielange bleibt ihr, habt ihr Kinder, nein, warum nicht? Sogar unser Alter wird erfragt, ob da mit den Kindern nicht doch noch was zu retten ist.

Natürlich sind wir ein Fremdkörper zwischen den ganzen Bauern und Händlern, die ihr Vieh oder Grünzeug verkaufen. Insbesondere Achim fällt auf wie ein Schwein auf dem Sofa, ist er doch fast doppelt so groß, wie die kleinen Indios. Aber wir fühlen uns nicht unwohl. Eine sympatische, zurückhaltende Freundlichkeit überwiegt.

Schafhandel ist Frauensache

Schafhandel ist Frauensache

Da wir hier nicht viel zu tun haben außer die Szenerie zu bestaunen, wird uns kälter und kälter. Wir trauen uns an ein heißes Süppchen aus dem Kessel. Dünne Gemüsebrühe mit einem Stück Kartoffel, Reis und etwas Huhn. Trotz des südamerikanisch unausweichlichem Korianders ist das Süppchen etwas fad. Aber es wärmt. Gegessen wird in Vollmontur. Geheizte Räume sucht man hier vergeblich. Ecuador kennt keine Heizungen, weder auf dem Bauernmarkt noch in der Stadt.

Suppenküche

Suppenküche

Etwas Warmes braucht der Mensch

Etwas Warmes braucht der Mensch

Irgendwann heißt es dann: „Und wie kommen wir wieder zurück?“ „Keine Ahnung, lass uns mal bei den Pritschenwagen fragen.“ Schnell werden wir uns einig. Einer der kleinen Laster wird uns, natürlich auf der Ladefläche, runter bis nach Punin nehmen.
Ich bin froh, dass die Schafswolle auf einem andern Wagen einen Platz findet und schon geht es los. Ein Mütterchen steigt noch dazu, aber nach fünfzehn Minuten wieder aus. Diesmal sitzen wir etwas windgeschützter, dafür ohne Kopffreiheit und mit direktem Zugang zu den Auspuff-Gasen.

An Punin fährt unserer Fahrer dann vorbei. Gab es wohl ein Missverständnis oder hat er uns vielleicht vergessen? Wir verharren gespannt. Es geht bergab, das ist schon mal richtig. Nach 45 Minuten lässt er uns in Riobamba raus, also irgendwo raus. Wir haben keine Ahnung wo wir sind und Riobamba hat immerhin 150.000 Einwohner.
Wir lassen uns von der Macht leiten und gehen tatsächlich in die richtige Richtung. Was soll jetzt noch passieren? Bald erkennen wir unseren Busbahnhof vom Morgen. Den Rest des Tages verbringen wir damit im warmen und sonnigen Riobamba (2.750 Meter) unsere Knochen zu wärmen.

Von Wasserfällen und Tieren

Mi./Do.,11./12.Jul.18, Ecuador/Baños, Tag 1502/3, 13.337 sm von HH

Kräftige Mietze so ein Puma

Kräftige Mietze so ein Puma

Wer hätte gedacht, dass uns bereits am vierten Tag in Ecuador ein leibhaftiger Puma vor die Linse laufen würde. ;-)

Wir schonen unseren Muskelkater und schlagen uns mal nicht in die Büsche, sondern machen Sachen, die Touristen so machen in Baños: wir gucken Wasserfälle und gehen in den Zoo.

Der ‚Pailon del Diabolo‘ – der Kessel des Teufels – ist das Wahrzeichen von Baños. Als einer der zehn spektakulärsten Wasserfälle der Welt wird er vermarktet. Und ja, in der Tat, nicht schlecht das Teil.
Durch Treppen und Balkone, die man an die Felsen gebaut hat, kommt man dem Kessel hautnah. Mit viel Getöse und noch mehr Gischt donnert das Wasser zwischen den Felsen durch. Da es bereits den ganzen Vormittag regnet, führt der Wasserfall soviel Wasser, dass wir die unteren Balkone nicht betreten können ohne pudelnaß zu werden. Ein hübsches Touristen-Spektakel, besonders für die Kinder, die sich quietschend naß regnen lassen.

Pailon de Diabolo

Pailon de Diabolo

Der Diabolo kommt von rechts

Der Diabolo kommt von rechts

Ein Blick in den Schlund

Ein Blick in den Schlund

Ein Balkon hängt fast im Diabolo

Ein Balkon hängt fast im Diabolo

Der nächste Vormittag gehört dem Zoo. Die Lage vom Zoo ist nicht schlecht. Auf einer großen Felsen-Insel, mitten in der Schlucht des Pastaza, stehen labyrinthartig angeordnet die Gehege. Die Gestaltung und Größe der Käfige entspricht dem Standard in Deutschland der 90er Jahre. Aber die Tiere sehen alle gut aus, die Gehege sind sauber und das Futter frisch.

Der Zoo von Banos liegt perfekt eingeschmiegt in die Landschaft

Der Zoo von Banos liegt perfekt eingeschmiegt in die Landschaft

Überwiegend in Südamerika heimische Tiere (bis auf den Tiger und ein paar Vögel) wohnen hier. Da wir in Natura wohl kaum einen Puma zu Gesicht bekommen, ja, noch nie einen gesehen haben, ist dies eine gute Gelegenheit.

Give me five - als der tiger das das erste mal gemacht hat, waren Achims Augen so groß wie die Pfoten

Give me five – als der Tiger das das erste mal gemacht hat, waren Achims Augen so groß wie die Pfoten

Am Nachmittag düsen wir dann in knapp zwei Stunden mit dem Bus weiter nach Riobamba (2.750 Meter hoch), unserer nächsten Sation. Unser Hotel ist schnell gefunden im Zentrum der Altstadt. Die drei dicken Decken auf dem Bett verheißen nichts Gutes. Doch noch scheint die Sonne und wir schlendern mit einfacher Jacke durch die Stadt auf der Suche nach etwas Eßbarem. Es wird dunkel, es wird kalt, wir immer hungriger. Wir laufen zig Blocks kreuz und quer ohne Erfolg. Es gibt keine Restaurants in der Altstadt. Das einzige, was wir finden, sind Schnell-Imbisse: Hühnchen und Pommes oder Hühnchen und Reis.
Meine Pommes sind hart, kalt und von gestern. Ich gehe mit meinem Teller zum Tresen zurück und brauch gar nicht mein Beschwerde-Spanisch ausgraben. Die Tante hinterm Tresen weiß genau, was ich auf dem Teller habe. Kann man ja mal versuchen, war wohl ihre Idee. Fünf Minuten später habe ich frische Fritten. Riobamba muss sich noch etwas ins Zeug legen, damit wir es mögen.

 

Bitte, nenn‘ es nicht Spaziergang!

Di.,10.Jul.18, Ecuador/Baños Tag 1501, 13.337 sm von HH

‚Unschwieriger Spaziergang auf schmalen Pfaden‘, so beschreibt unser nutzloser Wanderführer unsere heutige Tour. Gelächter! Achim wüntschte sich, er hätte seine Machete dabei gehabt und ein Gewehr. Der erste Teil ist in der Tat unschwierig, leicht bergauf und parallel zum Rio Pastaza, der sich in einer tief eingeschnittenen Schlucht schlängelt.
Der Weg ist gut zu erkennen und wird auch von den Bauern genutzt, wie an frischen Esel-Äpfeln auf dem Weg zu erkennen ist. An den steilen Hängen ackern sie mühsam Zuckerrohr und Orangenbäume stehen voller Früchte. Idylle? Was wie der perfekte Okö-Hof wirkt, ist entbehrungsreich und mühsam.

Harmloser Wanderweg am Pastaza

Harmloser Wanderweg am Pastaza

 

Pastaza Schlucht

Pastaza Schlucht

Was man so Brücke nennt

Was man so Brücke nennt

Für Achim hört die Idylle spontan auf als drei Hunde hinter einem Schuppen lauf kleffend auf ihn zustürmen. Der größte Köter gebärdet sich am gefährlichsten und lenkt mit seinem Theater prima die Aufmerksamkeit auf sich. Sein Trick geht auf: der Kleinste kneift Achim hinterrücks in die Wade. Vorbei an diesen Monstern traue ich mich keinen Meter weiter. Nur hundert Meter zuvor hatte der Bauer uns einen Dollar abgeknöpft, weil der Wanderweg über sein Privatgelände führt. Dahin gehe ich zurück und hole ihn zur Hilfe. So funktioniert es, er beruhigt seine Hunde und wir können unbeschadet vorbei.

Idyllische Landwirtschaft mit wütenden Hunden zwei Minuten später

Idyllische Landwirtschaft mit wütenden Hunden zwei Minuten später

Mit tollem Blick auf die Schlucht geht es nun heftig bergauf. Vor uns liegen nahezu senkrechte Steilwände, die müssen wir umlaufen. Am höchsten Punkt passieren wir noch einmal einen winzigen Hof. Längst sind die zwei Stunden verstrichen, die der Wanderführer für diese Tour angibt. Haben wir schon die Hälfte? Wir wissen es nicht. Der Bauer weist uns den richtigen Weg. „Si, si, dahinten geht es weiter“.
Wir sind unsicher. Ein Weg ist kaum zu erkennen. Hier läuft wohl nur selten jemand. Der kaum sichtbare Trampelpfad verschwindet im Gras.
Zeitweise verlieren wir komplett die Spur, laufen in die Irre und müssen erneut suchen. Aus flachem Gras, haufenweise Minze, wunderschönen Wildblumen und Kräutern, wird echter Wildwuchs. Wir kommen nur mühsam voran. Das schöne Wetter verzieht sich. Das Gestrüpp wird dichter, erste Lianen peitschen ins Gesicht, Kletten haften in den Haaren und an unseren Jacken, Das meterhohe Gras ist feucht und weicht Hose und Schuhe auf.

An dem steilen Hang vor uns führt der weitere Weg lang

An dem steilen Hang vor uns führt der weitere Weg lang

Unser "Weg" (?)

Unser „Weg“ (?)

Achim geht als Leithammel vorweg

Achim geht als Leithammel vorweg

Dafür geht es kontinuierlich bergab. Gefühlt sind wir richtig. Einen Blick auf die Schlucht haben wir schon lange nicht mehr. Die Sicht ist durch Bäume, Schilf und Gestrüpp versperrt. Zum Glück, denn links neben dem Weg geht es senkrecht runter. Im Grunde wandeln wir auf einem schmalen Grat an dem steilen Hang. Wer über ein Grasbüschel stolpert muss darauf hoffen, dass das Dornengestrüpp den freien Fall bremst. ‚Spaziergang auf schmalen Pfaden’….pfffft.

Nach einer Stunde Kampf ist der Pfad leichter zu erkennen. Die Bergflanken sind wieder beackert, erste Felder tauchen auf und die Wege werden von Bauern genutzt. Gerettet! Schon bald taucht auch die, im Wanderführer versprochene, ‚Tarabita‘ auf. Eine Tarabita ist eine einfache Seilbahn, die in den Anden von Ecuador und Kolumbien genutzt wird, um Schluchten zu überqueren. Ein einfaches Körbchen hängt an einem Seil und mit Hilfe einer Rolle und der Schwerkraft werden die Köbe von einer Seite zur anderen geschickt. Unsere Tarabita hat zusätzlich einen Motor, der den Korb hin und her schickt.

Typische Gondel der Tarabita

Typische Gondel der Tarabita

Wir sind nur froh, dass die Tarabita nicht außer Betrieb ist. Todesmutig steigen wir ein. Die Tiefe unter uns ist beeindruckend. Wow. Erst sind nur ein paar Meter uns als wir über einem Fluß schweben. Aber plötzlich verwandelt der Fluß sich in einen Wasserfall und unter uns ist nur noch Abgrund. Zu Achims ‚Freude‘ stoppt der Korb in der Mitte, damit wir ausgiebig Zeit haben, die Aussicht zu genießen. :mrgeen:

Der Blick aus der Tarabita auf die Schlucht - hundert Meter unter uns

Der Blick aus der Tarabita auf die Schlucht – hundert Meter unter uns

Der Blick zurück aus dem Käfig und woher wir kommen

Der Blick zurück aus dem Käfig und woher wir kommen

Viereinhalb Stunden haben wir für den unschwierigen Spaziergang gebraucht und sind total im Eimer. Mit dem Bus fahren wir nach Banos zurück, schnell was Essen und Füsse hoch.

 

Baños – im Süden der Allee der Vulkane

Mo.,09.Jul. 18, Ecuador/Baños Tag 1500, 13.337 sm von HH

Aktion ‚rote Blutkörperchen züchten‘ läuft. Gleich beim ersten Ausflug verdoppelt sich meine Anzahl. Was der Wanderführer als leichten Spaziergang deklariert, entpuppt sich als schweißtreibender Ausflug.Und dann kommt auch nach der halben Strecke auch die Sonne raus. Ich verfluche das Hemdchen unter dem langärmeligen T-Shirt, unter dem Fleece, unter dem Windbrecher.
Der Rucksack schwillt zum Ballon durch die ganzen abgelegten Klamotten.

Morgens habe ich das alles noch gebraucht. Mit leichtem Niselregen und gefühlten 10 Grad empfängt uns Baños. Unsere Nachtfahrt verläuft mittelprächtig: Mein Sitz lässt sich nicht nach hinten verstellen, ausweichen ist nicht, alle Plätze sind belegt. Dazu ist es kalt wie im Eisschrank und eine Mitfahrerin meint, den ganzen Bus mit ihrem Telefonat unterhalten zu müssen. Kennen wir alle, diesen Typ. Die bauen sich in der S-Bahn auf und prädigen, was für ein toller Hengst sie doch sind. „Nachher habe ich eine Video-Konferenz mit Singapore und mein Kollege Frank ist der größte Idiot aller Zeiten.“ Die junge Frau schrillt mit ihrer Stimme den Bus zu und erzählt ihrer Freundin in Echtzeit das geschen der letzten Woche.
Der Rest der Fahrt ist dann okay. Einmal umsteigen, klappt prima und bereits um 6:00 Uhr morgens stehen wir vor unserem Hostal. Bei besagtem Nieselregen. Zum Glück ist unser Zimmer schon frei und wir sind herzlich willkommen zu dieser Unzeit. Und um 8:00 gibt es sogar ein Frühstück geschenkt.

Das miese Wetter nutzen wir, um den 18.000 Einwohner-Ort zu erkunden. Eine Schönheit ist der Ort nicht. Typico equadorianisch ebenfalls nicht mehr. Dazu kommen zuviele Touristen nach Baños. Zum Moutain-Biken, Bungee Springen und Rafting.
Baños liegt eingekesselt in ein schmales Tal, umgeben von sensationeller Landschaft. Die versteckt sich noch im Nebel. Vom Tungurahua, einem sehr aktiven Vulkan, der über Baños trohnt, ist nichts zu sehen. Im Ort gibt es allerdings Hinweisschilder mit der Flucht-Route im Falle eines Ausbruchs.
Unregelmäßig, alle paar Monate, meldet sich der Tungurahua mit lautem Grummeln oder einer Aschewolke zu Wort.

Unzählige Wasserfälle gib es in und um Baños

Unzählige Wasserfälle gib es in und um Baños

Kirchenportal

Kirchenportal

Nach dem Mittag lockert es auf und wir entscheiden uns, diesen ‚Spaziergang‘ zu unternehmen.Der Weg ist einfach, aber mörderisch steil. Wir forschen nach einer Abkürzung, die sich in einem Nebenweg anbietet. Nein, Fehlanzeuge, die Bauersleute auf die wir treffen, schicken uns zurück auf den fiesen Weg. Hier nur privado.Wir beißen uns durch. Der Lohn ist eine schöne Sicht auf Baños und rote Blutkörperchen.

Baños - malerische Lage

Baños – malerische Lage