Do., 03.Nov.16, Atlantik, Tag 887, 8.032 sm von HH
Wir droehmeln so vor uns hin. Wind, Wetter, Welle, alles identisch. Es passiert nichts. Das ist einerseits gut, denn wuerde was passieren, waere was kaputt oder die Elemente waeren gegen uns. Andererseits ist es, wenn auch nicht grade langweilig, aber doch monoton.
Das Meer in seiner unendlichen Weite und seinem abgrundtiefen Blau ist wunderschoen. Kaeme nicht ab und an mal eine Seeschwalbe vorbei oder ein Trupp Fliegender Fische, haette es aber doch etwas von einem TV-Testbild (die aelteren Leser erinnern sich). Wir sind gefangen in unserem Mikro-Kosmos und ab Tag drei verschwimmen die Minuten zu Stunden, die Stunden zu Tage. Um zu wissen, wie lange wir unterwegs sind, muessen wir ins Logbuch schauen und die Tage an den Fingern abzaehlen.
Unseren Rhythmus, den wir bereits vor Monaten gefunden haben, behalten wir bei: Nach dem Abendessen lege ich mich um 20:00 Uhr hin. Um 22:00 Uhr beginnt meine Nachtwache bis 02:00 Uhr, danach ist Achim dran, bis 6:00 Uhr. Waehrend ich dem Sonnenaufgang zuschaue, schlaeft er ebenfalls noch mal zwei Stunden bis 8:00 Uhr. Somit sehen wir uns schon mal 12 Stunden gar nicht. Die Wechsel in der Nacht erfolgen wortkarg. „Keine besonderen Vorkommnisse, gute Nacht.“ ![]()
Um 9:00 Uhr gibt es ein gemeinsames Fruehstueck. Jetzt sprechen wir auch wieder ganze Saetze miteinander. Wir sprechen ueber Gott, ueber die Welt. Und ueber die Nicht-Ereignisse der letzten Nacht: mein Funk-Kontakt mit einem Tanker, dass er auf meine Bitte hin seinen Kurs um 15 Grad aendert, um hinter uns durch zu fahren, kann schon mal Thema fuer eine halbe Stunde sein ![]()
Die letzten Tage haben wir intensiv geplant, wie wir die Hurrikan-freie-Zeit in der Karibik nutzen wollen. Solche Themen sind Gold wert, damit der Tanker nicht zum Dauer-Gespraech wird. Tagsueber haben wir keine festen Zeiten. Jeder von uns macht noch mal ein Nickerchen. In Summe kommen wir somit auf sieben Stunden Schlaf, allerdings nie laenger als vier Stunden am Stueck. Das ist nicht so erholsam, fuehrt zu einer leichten Dauermuedigkeit. Sind die Schiffbewegungen heftig, schlafen wir schlechter, ergibt noch mehr Muedigkeit, ergibt noch mundfaulere Wachwechsel. ![]()
Mittags gibt es einen Snack, nachmittags Kekse oder Obst und abends eine warme Mahlzeit. Im Grunde verbringen wir den ganzen Tag mit Schlafen und Essen. ![]()
Die uebrige Zeit nutzen wir zum Lesen oder spiele ein daemliches Spiel auf dem iPad. Zeit absitzen nennt man das wohl.
An Tag vier sind wir total eingestimmt auf ‚das-auf-See-sein‘, die Seebeine sind gewachsen. Wir waeren in der Lage alles zu machen wie immer. Allein das Gewackel erlaubt wenig Abwechslung. Feinmotorische Dinge, Micado spielen, Patiencen legen, Handarbeiten oder Malen, faellt alles weg. Viele Crews gucken dann eine DVD. Das haben wir noch nie gemacht. Bei uns wird dann das Tanker-Thema wieder hervorgeholt. ![]()
Vielleicht sollten wir auch mal einen Film schauen.
Gestern hat ein alter Frachter auf uns zugehalten. Ein echter Seelenverkaeufer, der mit seinem Heck kurz vor dem Absaufen war. Kein AIS, keine Anzeichen, dass er uns gesehen hat. Wir mussten eine Halse fahren, wir mussten ausweichen, damit wir nicht gerammt werden. Das bringt Adrenalin ins Blut und Abwechslung in die Bude.
Das muessen wir aber auch nicht haben. Wie undankbar, da passiert mal was, aber sowas bitte nicht. Menschen sind schon komisch und Segler ganz besonders. ![]()

Der wollte uns rammen


















