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La Gomera – Nordtour

Di.,14. Okt.15, La Gomera, Tag 501, 2.829 sm

Viele Wolken hängen in den Bergen von La Gomera, die Sicht ist schlecht und immer wieder zieht ein Schauer über San Sebastian. Wir beschließen daher in den etwas flacheren Norden zu fahren, um dem Regen etwas zu entgehen.

Und tatsächlich, bereits beim ersten Stopp in Hermigua scheint die Sonne. Auf dieser Seite der Insel wird noch intensiv Landwirtschaft betrieben und die Terrassenfelder sind seltener verwaist.

Pescante de Agulo

Agulo ist ein kleines, malerische Dorf in dem traditionell ein reger Bananenanbau stattfindet.

Früher wurden die landwirtschaftlichen Produkte direkt in Agulo auf Schiffe verladen.
Zu diesem Zweck wurde 1908 ein Ausleger in die Bucht gebaut: der Pescante de Agulo. Der Ausleger führte, auf Betonpfeiler gestützt, ins Meer hinaus. Auf dem Ausleger befanden sich Schienen auf denen kleine Loren die Waren zur Spitze des Auslegers transportierten. Mit Hilfe von Seilzügen wurden Boote beladen, die mit den Waren zu weiter draußen ankernden Schiffen fuhren.

1954 zerstörte ein schlimmes Unwetter die Anlage und sie wurde nicht wieder aufgebaut, da in der Zwischenzeit eine befestigt Straßen in den Hafen von San Sebastian gebaut und der Transport von dort aus abgewickelt wurde.
Noch heute stehen die Betonsäulen als Zeitzeugen an der Küste von Agulo.

 

Castillo del mar de Vallehermoso

Unser Weg führt uns weiter nach Vallehermoso, welches einen ähnlichen Ausleger wie Agulo hatte. Dieser wurde bereits 1890 errichtet und in den 50er Jahren freiwillig aufgegeben.

Vom Schloss, wie die Anlegestelle im Volksmund genannt wurde, sind Wein, Tomaten und Bananen nicht nur abtransportiert worden, sondern 1910 kam über das Schloss das erste Automobil nach La Gomera. Heute befindet sich die Anlage in Privatbesitz, war aber zwischenzeitlich auch zur Naherholungs-Stätte ausgebaut worden.

Vallehermoso ist ein gemütlicher Ort, eingebettet zwischen Berge und Hügel und man möchte stundenlang auf dem Marktplatz sitzen bleiben. Die Zeit vergeht hier ein wenig langsamer als im Rest der Insel.

Der gesamte Norden von La Gomera ist unglaublich schön. Zerklüftet und hinter jeder Kurve wartet ein neuer, spektakulärer Blick.
An den gut ausgeschilderten Wanderwegen, die verlockend in die Berge führen, müssen wir leider vorbei fahren. Aber vielleicht bietet sich die Gelegenheit ja noch ein anderes Mal.

La Gomera – Süd-West-Tour

Di.,13. Okt.15, La Gomera, Tag 500, 2.829 sm

Da Achim weiterhin nicht gut zu Fuß ist, leihen wir uns ein Auto für drei Tage.

La Gomera ist die zweitkleinste der Kanarischen Haupt- Inseln, quasi kreisrund und hat einen Durchmesser von gerade mal 20 km.
Wie auf La Palma gibt es hier kaum Küstenstraßen, denn die ganze Insel wächst extrem steil aus dem Meer. Die höchste Erhebung ist zwar nur knapp 1.500 Meter hoch, aber alle Flanken sind von steilen Schluchten zerklüftet.

Unser erster Weg führt uns ins benachbarte Playa Santiago.
Dort befindet sich der Fischereihafen und unser potentieller Kran- und Stellplatz. Sollten wir uns tatsächlich entscheiden dort aus dem Wasser zu gehen. Der Betrieb an sich macht einen guten Eindruck. Allerdings sind Ölfässer als Stütze, damit Atanga nicht umkippen kann, ein ungewohnter Anblick.
Außerdem hat uns der Trans-Ocean-Stützpunktleiter erzählt, dass dort letztes Jahr eine Yacht umgekippt sein soll. Seitdem soll das Leben an Bord verboten sein.
Wir haben noch Zeit und vertagen unsere Entscheidung bis Michael wieder abgereist ist.

Als nächstes erreichen wir das Valle Gran Rey.
Das Tal des großen Königs. Mit dem König ist ein Guanchen-Oberhaupt der Ureinwohner La Gomeras gemeint.
Dieses Tal ist geprägt vom landwirtschaftlichen Terrassenbau. Hunderte von Terrassen sind in die steilen Hänge gebaut. Der größte Teil davon liegt allerdings brach, da der Tourismus leichter und schnelleren Verdienst verspricht.
In den 70er Jahren begann eine hohe Landflucht und die Felder wurden sich selbst überlassen und veröden. Mit Palmen, verstreuten Anwesen und kleinen Siedlungen durchzogen, ist das Tal trotzdem außerordentlich malerisch.

Bekannt wurde das Valle Gran Rey auch die Besiedelung von Hippies, die La Gomera zu ihrem Zufluchtsort erklärten.
Die Schweinebucht, die die Hippies vor 40 Jahren eroberten, wird heute regelmäßig von der Polizei geräumt und wildes Campen ist verboten.
Der Anteil an Geschäften, die Pumphosen, Delphin-Ohrringe und Batik-Shirts verkaufen, ist jedoch auffällig hoch. Durch die Gassen sieht man alternde Hippies und Nachwuchs-Blumenkinder wandeln.

Aber die Zeiten als angeblich nackt am Strand zu Bongo-Trommeln getanzt wurde, sind vorbei. Heute findet hier ein Pseudo-Öko-Tourismus mit Tofu -Läden, Reformhäusern und Dinkel-Brot statt, der von Aldi-Reisen organisiert wird.

San Sebastián – Hauptstadt von La Gomera

Sa. bis Mo., 10.-12. Okt., La Gomera, Tag 497 bis 499, 2.829 sm

Seit Freitag haben wir Besuch von Achims Bruder Michael.
Gemeinsam erkunden wir das gemütliche, schnuckelige San Sebastian.

Allerdings wird Achims Knie eher schlimmer als besser und schwillt bereits nach kurzen Strecken an. Somit unternehmen wir nur kleine Spaziergänge in die nahe Umgebung.
Da San Sebastián mit knapp 10.000 überschaubar klein ist, sind die Wege sowieso nur kurz.

Den besten Überblick auf die Marina und den Ort hat man von Michaels Hotel-Garten aus. Oberhalb der Hafenanlage liegt die schöne Anlage auf einer knapp hundert Meter hohen Klippe.

Von dort gelangt man auch auf den kleinen Friedhof der Stadt.
Die begehbaren Balkone oberhalb der dritten Etage haben wir bislang noch nicht auf den Kanaren gesehen. Und Fotos auf den Grabplatten mit Hobbies der Verstorbenen sind ebenfalls neu: Segel-Yachten, Kartenspiele, Wandersleute oder Taubenzüchter. Alle Hobbies, Berufe und Leidenschaften werden abgebildet.

In der Ortsmitte gibt es einen wunderbaren Park mit riesigen Ficus Benjamini, die ein komplett geschlossenes Blätterdach bilden.
Im kühlen Schatten wird geruht, beobachtet und Kunsthandwerker bieten ihren individuell gefertigten Schmuck, handgemachte Ketten und Unikate an.
Aber seit Gabi, Petra und ich in Las Palmas im China-Town-Viertel gewesen sind, wissen wir, hier ist gar nichts handgemacht.

In Las Palmas kann man das gesamte“ Kunsthandwerk“ entweder bereits fertig konfiguriert oder als Bausatz kaufen. Im Dutzend, Hunderte, Tausende… Die Sachen sind zum Teil zwar hübsch, aber auf keinen Fall individuell.

Wir brauchen einen Schuldigen

Do., 08.Okt.15, La Gomera, Tag 495, 2.829 sm

Nach 22 Stunden angenehmer Überfahrt erreichen wir La Gomera.
Dort wartet bereits die La Joya auf uns. Michael empfängt uns mit einem strahlenden Lachen, einem frischen Baguette und einem guten Ratschlag: „Sucht Euch einen anderen Liegeplatz, damit ihr das Cockpit nicht offen nach Westen habt. Aus den Bergen kommt häufig abends ein kalter Wind.“

Achim checkt uns also im Marina-Office ein und fragt mich, ob wir dem Rat folgen und einen Platz auf der anderen Seite des Steges nehmen wollen. Die sehen recht schmal aus, daher soll ich mit schätzen, welcher der breiteste ist.
Ich winke ab und sage Achim soll es doch lieber selber entscheiden. Was immer ich sage, kann nur falsch sein, lässt mich meine Erfahrung vergangener Jahre die Lage einschätzen. Nein, meine Meinung ist gefragt und wir einigen uns auf den Platz neben „Lilly“.

Also alle Leinen los und abgelegt.
Ich rödel alle Festmacher für das erneute Anlegen zurecht, während Achim langsam durch den Hafen tuckert. Eine Mittelspring lege ich auf die Backbordseite, da Lilly rechts von uns liegen wird.
Beim Einfahren in die Boxengasse höre ich von hinten ein Kommando: „Wir nehmen nicht Lilly, sondern das blaue Motorboot. Weisst du welches ich meine?“
Jaaa, weiss ich, aber was zum Henker soll das denn jetzt? Dafür ist die Spring an der falschen Seite.

Achim fährt also wieder aus der Gasse und ich tüttel den Tampen auf der anderen Seite fest. Innerlich grummelnd über diese Umentscheidung in der letzten Sekunde. Nach einer Ehrenrunde im Hafen bin ich fertig und Achim fährt erneut in die Gasse.
Plötzlich ruft er von hinten: „Das ist die falsche Gasse, Du hast mich in die falsche Gasse gelockt. Wo ist das Motorboot?“
Ich rolle mit den Augen und bin sauer. „Nein, wir sind richtig. Das Motorboot ist da vorne.“ „Wie heisst es?“ „Grrr, das weiss ich doch nicht. Ich hab mir nur Lilly gemerkt, aber die willst du ja nicht.“

Wir finden das Motorboot, machen fest, aber den ausgewachsenen Ehe-Disput-Dialog gebe ich an dieser Stelle nicht wieder.
Beide grummeln wir vor uns hin als der Marinero klopft und sagt: „Hier könnt ihr nicht bleiben.“ Wieso das nicht? Wir haben extra im Büro gefragt… Es bleibt dabei, wir müssen wieder raus.

Da kein weiterer Platz zur Verfügung steht, nehmen wir wieder unseren alten und parken diesmal rückwärts ein. Das klappt ohne Probleme. Wir räumen gemeinsam auf und entsalzen Atanga. Und stellen den häuslichen Frieden wieder her.

Aber aus einem gemütlichen Nachmittag wird trotzdem nichts, denn ein kräftiger Wind bläst uns genau ins Cockpit. Wer war es noch gleich, der uns den Rat gab, das Schiff anders herum zu legen? Wir brauchen einen Schuldigen…

AIS – die beste Erfindung seit Schokolade

Mi., 07.Okt.15, Atlantik, Tag 494, 2.728 sm

Unser Törn nach La Gomera, genauer, nach San Sebastian startet mit 20 sm unter Motor.
Erst als wir die Nordspitze von Gran Canaria hinter uns haben und auf Teneriffas Süden zielen, kommt der Wind.

Wir kommen überraschend flott voran und rauschen mit 6,5 kn auf das Verkehrstrennungs-Gebiet zwischen Gran Canaria und Teneriffa zu.

Ein Verkehrstrennungs-Gebiet ist eine virtuelle Autobahn, die in Seekarten verzeichnet ist. Motorschiffe müssen diese Autobahn benutzen und auf ihrer Spur bleiben. Segelboote dürfen so ein Gebiet nur im rechten Winkel kreuzen.
Eigentlich.
Wir ignorieren diese Verpflichtung geflissentlich, denn sie passt nicht gut zur Windrichtung und außerdem macht es die zu segelnde Strecke unnötig länger.
Zudem ist die Autobahn leer.

Die Nacht ist schwarz, abgesehen von den Lichtern Teneriffas vor mir.
Achim schläft und ich dröhn so vor mich hin als ich einen Blick auf den Plotter werfe: Wo kommen denn auf einmal die ganzen Schiffe her?
Ich bin schlagartig putzmunter.

Dank AIS kann ich auf unserem Plotter gut sehen, dass zwei Schiffe aus Norden kommen. Gegnerische Schiffe werden als Dreieck angezeigt und bei ‚klick‘ auf so ein Dreieck, bekommt man die Details des anderen Schiffes angezeigt: Name, woher, wohin, die Länge und das wichtigste, mit welchem Kurs und Geschwindigkeit der andere unterwegs ist.

Ich kann anhand des Tempos ungefähr errechnen, wann wir wohl kollidieren werden. Entwarnung, die sind weg, wenn wir auf ihrer Spur ankommen.

Aber zwei weitere Dampfer aus Süd machen mir Kummer.
Der erste ist noch 16 sm entfernt, aber er donnert mit 16 kn auf uns zu. Touch down in einer Stunde.
Das klingt viel. Ist es aber nicht.
Eine Viertelstunde beobachte ich, ob sich das noch von alleine ausgehen wird.
Neeein, eher unwahrscheinlich…

Da wir verbotener Weise diagonal in das Fahrwasser einlaufen, ist unsere Zeit zu lang, die wir auf seiner Spur bleiben würden.
Anluven erscheint mir zu riskant, könnte sein, dass wir dann genau in der Mitte der Fahrbahn sind, wenn er kommt. Da braucht dann nur ein wenig der Wind einbrechen und wir dümpeln mitten auf seiner Fahrbahn.
Abfallen geht nicht mehr viel, da wir schon sehr achterlich den Wind haben. Erscheint mir aber am sichersten.

Grade als ich so überlege, ob ich diese Entscheidung alleine treffen soll, kommt der Skipper, der nicht schlafen kann.
Schwein gehabt. Zu zweit ist es dann doch besser.

Noch mehr Schwein, Achim teilt meine Entscheidung. Wir fallen ab, so weit wir noch können. Jetzt bleiben wir am äußeren Rand der Fahrbahn und werden uns parallel passieren.

Achim funkt den Frachter trotzdem an. Der Wachhabende ist sofort dran und bestätigt, dass er uns gesehen hat. Wir sollen unseren Kurs halten, dann passt das.

Als er uns passiert hat, ändern wir erneut unseren Kurs, denn der nächste Dampfer rollt auf uns zu. Diesmal luven wir an und retten uns im rechten Winkel auf den Mittelstreifen.
Da sind wir sicher.

AIS ist großartig! Ohne hätten wir dieses Manöver niemals so fahren können.
Die vier fremden Schiffe hätten wir erst sehr, sehr viel später bemerkt. Und dass wir uns auf Kollisionskurs befinden, darüber hätte man bestenfalls spekulieren können. Deren Geschwindigkeit und Distanz im Dunklen abzuschätzen, unmöglich.

Ohne AIS wäre die Situation sehr stressig geworden und hätte mehrere Segelmanöver nach sich gezogen.

AIS macht während einer Nachtwache mehr Wohlbehagen als die besagte Schokolade.